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Die erkältete Premierministerin Theresa May sprach eine Stunde, brauchte dafür aber immer wieder Hustenzuckerln.

Foto: Reuters/Phil Noble

Mit günstigeren Preisen für Strom und Gas und zehntausenden Sozialwohnungen wollen die britischen Tories verlorene Popularität zurückgewinnen. In ihrer von Hustenanfällen, einem Komödianten und Gebrechen in der Kulisse unterbrochenen Rede zum Abschluss des Parteitags in Manchester versprach Premierministerin Theresa May am Mittwoch, sie und ihre Minderheitsregierung würden "unsere Pflicht für Großbritannien" tun. "Wir werden uns um die Jobsicherheit der Bürger kümmern, nicht um unsere eigene", sagte die Regierungschefin.

Das viertägige Jahrestreffen war überschattet vom Ergebnis der Unterhauswahl im Juni. Der von May vorzeitig anberaumte Urnengang brachte der seit 15 Monaten amtierenden Premierministerin nicht den erhofften Erdrutschsieg, sondern empfindliche Mandatsverluste. Sie sei für den "zu hölzernen und zu präsidialen Wahlkampf" verantwortlich, räumte May ein: "Das tut mir leid."

Ihren Delegierten versuchte sie mit heftigen Angriffen auf Oppositionsführer Jeremy Corbyn Mut zu machen. Dessen geplante Verstaatlichung von Eisenbahn und Energieversorgern sei unbezahlbar und werde für Verhältnisse wie in Venezuela sorgen. Allerdings blieb der Beifall spärlich. Hingegen hatten die Labour-Delegierten vor Wochenfrist ihren Chef mit minutenlangen Gesängen gefeiert. Labour liegt in Umfragen 43 zu 39 Prozent voran.

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Nichts Neues zum Brexit

Mehrfach reicherte die als kühl geltende May ihre Rede mit persönlichen Details an. Um die Tories als Partei der sozialen Aufsteiger zu kennzeichnen, erzählte sie von ihrer Großmutter, die als Dienstmagd gearbeitet habe. "Unter ihren Enkelkindern sind drei Professoren und eine Premierministerin." Jede Generation setze sich dafür ein, dass es der nächsten besser gehen solle. Diesen Ehrgeiz teile sie voll und ganz.

Details über die versprochenen sozialen Wohltaten blieb May schuldig. Ihre Regierung werde in diesem Herbst ein neues Gesetz im Parlament einbringen, das die Energiepreise für sozial Schwache deckeln soll. Den sozialen Wohnungsbau haben Regierungen unterschiedlicher Couleur seit drei Jahrzehnten vernachlässigt.

Über den Brexit sprach May in der gut einstündigen Rede erst nach 30 Minuten. Sie verwies auf ihre Rede in Florenz, in der sie der EU finanzielles Entgegenkommen versprochen hatte. Ausdrücklich wandet sich die Premierministerin an die drei Millionen EU-Bürger auf der Insel: "Sie sind willkommen. Wir möchten, dass Sie bleiben." Die wenigen Sätze über das wichtigste Thema britischer Politik spiegelten die Parteitagsregie wider. Da die Konservativen auch 16 Monate nach dem Referendum noch vollkommen uneins darüber sind, wie und in welchen Etappen der EU-Austritt vollzogen werden soll, wurde das Thema in den Reden der Minister weitgehend ausgeblendet.

Die Delegierten der schrumpfenden Partei (Durchschnittsalter: über 70 Jahre) stützten die Vorsitzende durch Standing Ovations, nicht zuletzt, um Mays anhaltende Hustenanfälle zu kaschieren. Dass die erkältete Rednerin durchhielt, nötigte auch Kontrahenten Respekt ab: Die "tapfere Premierministerin" halte durch, teilte Vincent Cable von den Liberaldemokraten mit. Wie sehr vor allem Boris Johnson Ambitionen auf das wichtigste Regierungsamt unterstellt werden, verdeutlichte auch der Zwischenfall, der die Rede unterbrach: Komödiant Simon Brodkin reichte May "im Namen von Boris" ein Kündigungsformular. Brodkin wurde aus dem Saal geworfen. (Sebastian Borger aus London, 4.10.2017)