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Das geplante Gesetz, mit dem Versicherungen eine klare Basis schaffen wollten, kommt vorerst nicht.

Foto: dapd / Katja Lenz

Frage: Warum gab es zuletzt Aufregung um das Versicherungsgesetz?

Antwort: Weil bekannt wurde, dass SPÖ und ÖVP noch vor der Nationalratswahl eine Gesetzesänderung beschließen wollten, mit der die Rücktrittsrechte und Auszahlungsmodalitäten neu gestaltet hätten werden sollen. Konsumentenschützer haben in diesen Änderungen einen Nachteil für Kunden gesehen.

Frage: Das Gesetz kommt jetzt nicht?

Antwort: Nein, vorerst kommt es nicht. Es hätte am Mittwoch im Finanzausschuss auf den Weg gebracht werden sollen – wurde nun aber zurückgenommen.

Frage: Woran ist es nun gescheitert?

Antwort: Im Vorfeld gab es bereits eine Diskussion über die geplante Änderung. Experten haben darauf hingewiesen, dass die Neuregelung verfassungswidrig sein könnte und auch nicht dem Europarecht entspräche. Denn es gibt in der Causa Rücktrittsrechte bereits ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof und eines vom Obersten Gerichtshof. Diese Judikatur muss beim neuen Gesetz berücksichtigt werden. Dem Vernehmen nach war das ein Punkt, der die Regierung zögern hat lassen.

Frage: Alles der Reihe nach: Was hätte denn verändert werden sollen?

Antwort: Mit dem neuen Gesetz hätten die Rücktrittsrechte bei Versicherungen vereinheitlicht werden sollen. Bei bereits erfüllten Verträgen hätte das Rücktrittsrecht auf einen Monat ab Erfüllung verkürzt werden sollen. Dieses Rücktrittsrecht gilt derzeit lebenslang. Auch den Berechnungsmodus für Rückzahlungen wollte man anpassen. Das hätte für Inhaber von fondsgebundenen Lebensversicherungen zum Nachteil werden können. Ein Vorteil wäre gewesen, dass die Abschlusskosten von fünf auf zehn Jahre verteilt worden wären – womit die Rückkaufswerte gestiegen wären.

Frage: Was hätte sich bei fondsgebunden Polizzen geändert?

Antwort: Mit der neuen Regelung hätten Versicherungen bei einer Rückabwicklung des Vertrags entstandene Verluste abziehen dürfen. Das ist derzeit nicht der Fall. Derzeit müssen bei einer Rückabwicklung die einbezahlten Prämien mit vier Prozent Verzinsung ausbezahlt werden. Das schafft einen Vorteil für den Kunden. Denn das in fondsgebundenen Lebensversicherungen einbezahlte Geld ist ein Sondervermögen (wie bei Fonds). Anders als bei klassischen Lebenspolizzen dürfen Versicherungen diese Geld aber nicht selbst veranlagen – es liegt ja in dem Fonds. Die Anbieter müssen derzeit bei diesem Produkt für Verluste gerade stehen, weil das Wort "Versicherung" am Vertrag steht. Hätte jemand nur einen Fonds gekauft, der nicht in eine Versicherungslösung eingebettet ist, müsste er die Verluste selber tragen. Das sollte mit dem neuen Gesetz umgestellt werden.

Frage: Gab es noch andere Auslöser für die geplanten Änderungen im Versicherungsgesetz?

Antwort: Ja. Es dreht sich dabei eigentlich um eine Formalität beim Thema "Aufklärung über die Rücktrittsrechte". In Österreich wurde eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1992 nicht in nationales Recht gegossen. Daher ist folgende Situation entstanden: Nach österreichischem Recht haben Lebensversicherer ihre Kunden richtig über die Rücktrittsrechte belehrt, wenn erklärt und schriftlich in der Polizze festgehalten ist, dass der Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann. Die EU schreibt hier aber eine Frist von 30 Tagen vor.

Frage: Was ist die Konsequenz?

Antwort: Es gibt mittlerweile eben zwei Urteile (EuGH 2013 und OGH 2016), die wegen dieser zeitlichen Diskrepanz entschieden haben, dass Versicherungen hier falsch belehrt haben, den Klägern wurde daraufhin ewiges Rücktrittsrecht eingeräumt. Damit wurde die Basis geschaffen, dass von den Verträgen lebenslang zurückgetreten werden kann – wenn nicht oder falsch belehrt wurde. Auch, wenn ein Vertrag bereits erfüllt – also ausbezahlt oder vom Versicherungsnehmer vorzeitig gekündigt – wurde.

Frage: Ist es jetzt schlecht?

Antwort: Das ist eine Frage der Perspektive. Konsumentenschützer sehen diese Urteile positiv und in der geplanten Neuregelung eine Beschneidung der Konsumentenrechte. Die Versicherungen sehen das freilich anders, weil diese Urteile eine Basis geschaffen hat, aufgrund derer Anwälte, Prozessfinanzierer und auch Konsumentenschützer zuletzt den Rücktritt von Versicherungen populär gemacht haben. Möglich ist das immer, wenn im Vertrag 14 statt 30 Tage Kündigungsfrist stehen. Aufgrund der bestehenden Judikatur kann das ewige Rücktrittsrecht wegen Falschbelehrung aber nicht ausgehebelt werden.

Frage: Wie viele Leute wollen ihren Vertrag nun rückabwickeln?

Antwort: Das ist schwer zu sagen, weil man nicht weiß, wie viele Anwälte bzw. Prozessfinanzierer wie viele Fälle am Tisch haben und aufgrund der geplanten Gesetzesänderung hier noch mal Dynamik rein gekommen ist. Der Verein für Konsumenteninformation allein soll 7.400 Verträge prüfen.

Frage: Was bedeutet das jetzt für Kunden und Versicherungen?

Antwort: Vorerst bleibt die alte Rechtslage bestehen. Entscheiden Gerichte in allen oder in der überwiegenden Anzahl der Fälle zugunsten der Konsumenten, kann das für die Versicherer teuer werden. Ein Milliardenschaden droht, weil neben der einbezahlten Prämien bei einem Rücktritt derzeit eben auch eine jährliche Verzinsung von vier Prozent auf diese Prämien (minus Abzug der Kosten) ausbezahlt werden muss. Aufgrund dieser hohen Verzinsung und des derzeitigen Niedrigzinsumfelds ist ein Rücktritt für Kunden oft lukrativ. Daher ist sich die Politik zwar einig, dass es für dieses Problem eine Lösung geben muss. Der geplante Gesetzesentwurf sei hier "noch nicht der beste Ansatz gewesen", heißt es. (Bettina Pfluger, 4.10.2017)