Als Google vor exakt einem Jahr ein neues Smartphone vorstellte, war das Interesse groß: Unter dem Namen Pixel sollte es das erste wirklich komplett von Google entwickelte Gerät geben, das im Gegensatz zur Nexus-Reihe den Massenmarkt im Auge hat. Dabei betonte das Unternehmen allerdings von Anfang an, dass es sich hierbei bloß um einen ersten Schritt in einem langjährigen Projekt handle. Insofern durfte auch die zweite Pixel-Generation mit Spannung erwartet werden. Im Rahmen eines Presseevents hatte der STANDARD bereits die Möglichkeit, Googles aktuellste Hardwaregeneration kurz unter die Lupe zu nehmen, woraus die folgenden Eindrücke resultieren.

Klarstellung

Bevor es so weit ist, sei aber noch der gewohnte Disclaimer vorangeschoben: Bei einem solchen Hands-on handelt es sich um eine zeitlich sowie räumlich klar begrenzte Veranstaltung, die wirklich nur einen ersten Eindruck über neue Geräte zulässt. Aussagen über die Kamera lassen sich in solch einem Rahmen nur sehr begrenzt tätigen, über die Akkulaufzeit lässt sich so ohnehin gar nichts sagen. Für die Klärung all dieser Fragen sei auf den ausführlichen Test verwiesen, der in den kommenden Wochen folgen wird.

Die beiden Neuen von Google.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Pixel 2 und Pixel 2 XL

Wie schon im Vorjahr gibt es wieder zwei Modelle, die sich dieses Mal aber schon auf den ersten Blick klar unterscheiden, und zwar vor allem an der Vorderseite. Während das Pixel 2 mit seinem 5-Zoll-Display weiter einen recht großen Rahmen rund um den Bildschirm hat – genau genommen wirkt er auf den ersten Blick sogar noch eine Spur größer als im letzten Jahr – präsentiert sich das Pixel 2 XL mit 6-Zoll-Displays mit einem vergleichsweise geringen "Bezel" rund um den Screen. Rein optisch erinnert dies stark an das LG V30, wobei allerdings im Vergleich dazu der Rand oben und unten etwas größer ist, was wohl den Stereo-Lautsprechern an der Vorderseite geschuldet ist. Die Ähnlichkeit ist natürlich kein Zufall, ist doch bekannt, dass LG die Herstellung des Pixel 2 XL für Google übernimmt, während HTC – und damit künftige Google-Angestellte – wieder für das kleinere Modell verantwortlich zeichnet. Selbst die abgerundeten Ecken beim Display entsprechen aktuellen LG-Smartphones – und sind definitiv Geschmackssache.

Ersteindruck

Klar ist damit jedenfalls: Im Vergleich zu anderen aktuellen Smartphones wirkt das Pixel 2 etwas "altbacken", während das XL-Modell wesentlich frischer wirkt. Bei der Verarbeitung hat der Hersteller einmal mehr ganze Arbeit geleistet: Beide Geräte liegen sehr gut in der Hand, was nicht zuletzt auf eine neue Beschichtung zurückzuführen ist, die das Aluminiumgehäuse weniger rutschig macht. Einziges kleines Manko: Beim ausprobierten Pixel XL war der Power-Button etwas flach. Ob dies ein Ausreißer bei einem einzelnen Gerät war, kann natürlich erst mit einem anderen Testgerät geklärt werden.

Das Pixel 2 XL im schwarz-weißen Panda-Look.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Herausstehende Kamera

Beim Design gibt es übrigens noch einen kleinen Unterschied: Der Bildschirm des XL-Modells ist seitlich wesentlich stärker abgerundet. Beiden gemein ist, dass die Kamera nun leicht heraussteht, was dazu führt, dass das Pixel 2 nicht mehr so plan aufliegt wie sein Vorgänger. Dies ist wohl der optischen Bildstabilisierung geschuldet, trotzdem könnte man hier natürlich wieder einmal den Punkt machen, dass man doch lieber gleich das ganze Gerät etwas dicker machen hätte können, etwa um mehr Akku unterzubringen. Aber auf solche Argumente hören ja andere Hersteller auch nicht.

Bildschirmqualität

Obwohl Pixel 2 und Pixel 2 XL nicht nur unterschiedliche Screens, sondern auch unterschiedliche Display-Technologien nutzen, ließ sich im Hands-on kein relevanter Unterschied in der Darstellungsqualität feststellen – was dafür spricht, dass ab Werk gut kalibriert wurde. Beide liefern ein sehr gutes Bild, wobei die Farbstärke im Vergleich zu den Vorgängern deutlich dezenter ausfällt. Für einen ausführlichen Test wird vor allem der Blick auf das XL-Modell interessant, gab es doch in der Vergangenheit immer wieder Kritik an der hier genutzten P-Oled-Technologie, da sie bei sehr niedriger Helligkeit zu Schlieren neigt. Im Rahmen des Hands-on mit starkem Licht allerorten ließ sich dies aber nicht vernünftig überprüfen.

Der Tiefenunschärfeffekt der Kamera bei der Arbeit.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Die Kamera

Das erste Pixel lieferte die wohl beste Smartphone-Kamera des Jahres 2016 und bleibt damit auch bis heute unter den Top-Geräten für diesen Aufgabenbereich. Diese Stärke will Google für die neue Hardwaregeneration natürlich weiter ausbauen, verzichtet dabei aber im Gegensatz zu fast allen großen Konkurrenten auf eine Dual-Kamera-Konfiguration. Gerade für die Kamera braucht es natürlich einen längeren Testzeitraum, der erste Eindruck ist aber jedenfalls, es lässt sich nicht anders sagen, hervorragend.

Die Kamera des Pixel 2 (XL) reagiert extrem flott und machte auch bei schwierigen Verhältnissen sehr gute Fotos, und ist damit noch einmal ein ordentliches Upgrade zur ohnehin schon sehr guten Kamera des ersten Pixel. Im Vergleich zum Vorjahresmodell wurde die Blende auf f/1.8 erweitert, und es gibt Dual Pixel Phase Detection, die hier – neben dem Autofokus – für allerlei interessante Dinge zum Einsatz kommt. Etwa für den Porträtmodus, der einen Tiefenunschärfeeffekt zu Bildern hinzufügt. Das funktionierte im Test angesichts dessen, dass das Pixel 2 nur eine Kamera hat, überraschend gut. Es wird hier übrigens jeweils sowohl das Foto ohne und mit diesem Effekt abgespeichert. Und ebenfalls interessant: Das Ganze funktioniert auch mit der Selfie-Kamera, was bei anderen Anbietern, die zwei Optiken dafür benötigen, natürlich nicht der Fall ist.

Spielereien

Eine weitere Neuerung sind die "Motion Photos", und damit eigentlich die Aufnahme der bisher via Play Store erhältlichen "Motion Stills"-App fix in die Kamerasoftware. Dabei werden rund um jede Aufnahme einige weiter Bilder getätigt, woraus kurze Clips erstellt werden, die zusätzlich noch automatisch stabilisiert werden. Das sieht nicht nur nett aus, sondern funktionierte im Test auch wirklich tadellos.

AR Sticker

Eine weitere nette Spielerei sind die AR Sticker, mit denen 3D-Objekte ins Geschehen gesetzt werden können. In einem Demo ließen sich diese ziemlich exakt an einer Stelle im Raum positionieren und dann um sie herumgehen. Basis ist hier der AR Core, der Augmented-Reality-Funktionen generell auf Android-Smartphones bringen soll. Im konkreten Fall wird die Qualität aber noch verbessert, indem der Dual-Pixel-Aufbau in Kombination mit Maschinenlernfunktionen als eine Art Tiefensensor benutzt wird. Nichtsdestotrotz bleibt dies natürlich ein Gimmick, zum Start beschränken sich die AR Sticker zudem auf ein Set von "Stranger Things"-Figuren. Später sollen dann mehr folgen, unter anderem welche zum kommenden "Star Wars"-Film.

Augmented-Reality-Spielereien mit dem Pixel 2.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Videos

Die Videofunktion der Kamera konnte ebenfalls ausprobiert werden, wobei die "fused stabilization", die optische als auch elektronische Bildstabilisierung kombiniert, sehr gute Arbeit verrichtet. Auch die erzielten Videos machten auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Etwas enttäuschend ist aber, dass 4K-Aufnahmen auf 30 Bilder pro Sekunden beschränkt sind.

Kein Kopfhörerstecker mehr

Als Google die erste Pixel-Generation vorstellte, konnte man sich noch den einen oder anderen Seitenhieb auf Apple nicht ersparen. Hatte der Konkurrent doch gerade für das iPhone 7 den klassischen Kopfhörerstecker entfernt. Ein Jahr später wird man bei Google nicht gar so gern an diese Episode erinnert, folgt der Pixel-Hersteller nun doch dem Vorbild von Apple. Es gibt nun also auch hier keine Miniklinkenbuchse mehr, für diese benötigende Kopfhörer liefert man stattdessen einen Adapter mit, der an den USB-C-Anschluss gesteckt wird.

Daraus ergeben sich natürlich all die Nachteile, die damals schon beim iPhone 7 kritisiert worden, etwa dass nicht gleichzeitig Daten übertragen und Musik gehört werden kann – zumindest nicht auf diesem Weg oder ohne weiteren Adapter. Als Alternative bleibt eigentlich nur der Umstieg auf Bluetooth-Kopfhörer oder der Griff zu Kopfhörern mit USB-C-Anschluss, die bisher aber nur begrenzt verbreitet sind. Eine im Sinne der User wenig erfreuliche Entwicklung, aber auch eine die nicht aufzuhalten ist, angesichts dessen, dass sich dadurch die Komplexität beim Smartphonebau reduziert, und sich bisher keine User-Rebellion gegen diesen Trend abzeichnet.

Die Kamera steht beim Pixel 2 (XL) leicht heraus.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Zumindest bietet das Pixel 2 aber nun Bluetooth-5-Support, womit eine gewisse Hoffnung besteht, dass entsprechende Verbindungen künftig zuverlässiger werden. Freilich gibt es derzeit noch kaum Kopfhörer oder Lautsprecher, die diese neueste Generation des drahtlosen Standards unterstützen, für die weitere Zukunft ist dies trotzdem ein positive Schritt.

Endlich wasserdicht

Wirklich erfreulich ist dafür, dass die zweite Pixel-Generation nun nach IP67 vor Wasser und Staub geschützt ist, etwas das beim Vorgänger – im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten – noch nicht der Fall war. Von HTC hat man die Idee eines druckempfindlichen Gehäuserahmens übernommen. In diesem Fall wird dabei der Google Assistant aufgerufen. Das mag für manche so gar nicht interessant sein, besser als Samsungs eigener Bixby-Button ist das aber allemal. Zudem wird diese "Active Edge" genannte Funktion aber auch für andere Dinge eingesetzt, wie etwa um einen eingehenden Anruf schnell stumm zu schalten.

Android 8

In Softwarefragen nutzen Pixel 2 (XL) das aktuelle Android 8.0, die Gerüchte, dass hier Android 8.1 sein Debüt geben könnte, haben sich also nicht bewahrheitet. Allerdings gab es bei den Google-eigenen Softwarekomponenten einige Änderungen. So ist beim Launcher nun das Suchfeld ganz unten – und damit auch auf jedem Homescreen zu sehen. Aus Usability-Sicht mag das für jene, die das oft nutzen, durchaus sinnvoll sein, andere dürften von dieser prominenten Platzierung hingegen weniger begeistert sein, zumal sich das Suchfeld weder deaktivieren noch verschieben lässt. Besser gefällt da schon das neue Kalender / Wetter-Widget, das nun am Startscreen platziert ist.

Google Lens

Als eines der Highlights strich der Android-Hersteller in seiner Präsentation Google Lens heraus, das zur Identifizierung von Objekten genutzt werden kann. Google schweben dabei alle möglichen Augmented-Reality-Funktionen vor, etwa dass im öffentlichen Raum einfach Bewertungen zu einem Restaurant angezeigt werden, wenn man die Kamera auf dieses richte. Aktuell ist von all dem aber noch recht wenig zu sehen, die Funktionalität von Google Lens ist also noch ziemlich beschränkt. So ist es möglich bei getätigten Fotos über den Lens-Knopf eine Analyse durchzuführen, die dann Zusatzinfos bietet also etwa Bilder oder Produkte erkennt. Auch Texte können auf diesem Weg automatisch eingescannt werden – etwa von Visitenkarten. Alles sicher nette Kleinigkeiten – aber derzeit aber eben auch einfach nicht mehr.

Google Lens kann noch nicht wirklich überzeugen.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Details

Zur Softwareausstattung noch das eine oder andere Detail: Der Linux-Kernel ist in der Version 4.4 enthalten, die die erste ist, die den vor kurzem angekündigten, erweiterten Langzeit-Support erhält. Damit sollten eigentlich längere Supportzeiten für Android-Smartphones möglich werden, beim Pixel 2 schlägt sich dies aber bislang nicht nieder, das Versprechen lautet weiter drei Jahre lange Sicherheitsupdates zu liefern. Allerdings gibt es im Detail dann eine durchaus relevante Verbesserung. Gibt es nun doch drei Jahre lang das Versprechen großer Android-Versionssprünge – anstatt wie bisher zwei. Das Pixel 2 wird also dereinst sogar noch Android Q erhalten.

Fazit

In Summe hinterlassen Pixel 2 und Pixel 2 XL einen hervorragenden ersten Eindruck. Sie sind durchgängig extrem flott, die ersten Erfahrungen mit der Kamera sind sehr vielversprechend und die Hardware liefert auch sonst all das, was man sich von einem Topmodell des Jahres 2017 erwarten darf – auch wenn der Verlust des Kopfhörersteckers für manche schwer zu verdauen sein wird.

Verfügbarkeit

Sowohl Pixel 2 als auch Pixel 2 XL können ab sofort in diversen Ländern im Google Store sowie bei einigen Händlern vorbestellt werden, Österreich zählt hierzu leider nicht – Deutschland sehr wohl. Wann – und ob – das Pixel 2 (XL) offiziell in Österreich an den Start gehen wird, ist eine Frage, die Google derzeit nicht beantworten will. Aber natürlich habe man großes Interesse daran die Verfügbarkeit auszudehnen, heißt es auf Nachfrage reichlich vage.

Die beiden neuen Smartphones im direkten Vergleich. Bonusauftritt: die Google Pixel Buds.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Wer sich das Gerät trotzdem besorgen will – etwa über deutsche Händler – muss wie bei anderen aktuellen Top-Smartphones recht tief in die Tasche greifen. Der Preis des Pixel 2 liegt bei 799 Euro für die 64-GB-Fassung und 909 für das 128-GB-Modell, das Pixel 2 XL kostet dann schon 939 beziehungsweise 1049 Euro. (Andreas Proschofsky, 5.10.2017)