Laut seiner Chefin ist Samir (23) aus dem Irak – im Bild links – "einer des besten Lehrlinge, die wir je hatten". Doch ob er seine Ausbildung in Österreich abschließen kann, ist höchst unsicher.

Foto: Land OÖ

Linz/Wien – Eigentlich stehen im Romantikhotel Bergergut in der kleinen Gemeinde Afiesl im oberen Mühlviertel "Liebe und Genuss" im Vordergrund. Doch während der Gast sich turtelnd erholt, ist die Stimmung hinter der Vier-Sterne-Kulisse merklich getrübt. Der Grund dafür findet sich in der Zwei-Hauben-Küche des Hauses. Dort arbeitet seit gut einem Jahr Samir als Kochlehrling. Der 23-jährige Iraker flüchtete vor zwei Jahren nach Österreich, wohnt in der Nähe von Linz – und schwingt erfolgreich im "Culinariart by Bergergut" den Kochlöffel.

Jetzt droht dem gelungene Integrationsweg aber ein jähes Ende: Denn Samir hat einen negativen Asylbescheid bekommen. Zwar wurde umgehend Berufung angemeldet, sodass der Spruch nicht rechtskräftig ist, doch der Schock sitzt bei dem Lehrling tief. "Für mich ist das eine Katastrophe. Ich kann nicht mehr zurück", erzählt der 23-Jährige dem Standard.

Chefetage verärgert

Unverständnis und Ärger herrschen auch in der Chefetage des Hauses. "Vor wenigen Monaten hat der Staat eingewilligt und das Arbeitsverhältnis gestattet. Und jetzt reißt man diesen Menschen mit fadenscheinigen Begründungen wie 'mangelnde Deutschkenntnisse' einfach wieder heraus. So etwas ist absolut unmenschlich", kritisiert Hotelchefin Eva-Maria Pürmayer. Vor allem, weil Samir "einer der besten Lehrlinge ist, die wir je hatten".

Thomas Hofer, ihr Lebenspartner und Chef de Cuisine, sieht vor allem auch eine wirtschaftliche Problematik: "Abgesehen von der menschlichen Tragödie ist es für Unternehmer eine Katastrophe. Man investiert Zeit, Geld und Nerven in einen Lehrling. Und dann zieht der Staat die besten Mitarbeiter plötzlich ab. Da fühlt man sich doch verarscht."

Gesetz schuf "Rechtsklarheit"

Tatsächlich nimmt die Gesetzeslage keine Rücksicht auf die Lehrfortschritte von Asylwerbern und die Interessen der Lehrherren. Zwar steht in dem Sozialministeriumserlass von 2011, mit dem Asylwerbern unter 18 Jahren Lehren in Berufen mit Lehrlingsmangel eröffnet werden, dass dies "für die gesamte Dauer der Lehrzeit" gelte; das Alterslimit wurde später auf 25 Jahre erweitert.

Doch eine vom Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium eingebrachte, 2015 ohne jede öffentliche Diskussion beschlossene Novelle des Berufsausbildungsgesetzes regelt dies dem widersprechend: "Das Lehrverhältnis endet vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit, wenn ein Asylverfahren des Lehrlings mit einem rechtskräftigen negativen Bescheid beendet wurde."

"Menschenrechtswidrig"

In den Erläuterungen zu der Novelle ist von notwendiger "Rechtsklarheit" die Rede. Der Gesetzgeber habe "wohl verhindern wollen, dass ein Lehrling seine Abschiebung mit Hinweis auf die Gesamtlehrzeit verzögern kann", vermutet Herbert Langthaler vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination außerdem. Eine Abschiebung während laufender Lehrzeit wäre ein Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben und somit menschenrechtswidrig, sagt Langthaler.

In Oberösterreich ist das Bergergut übrigens kein Einzelfall. Laut dem Büro von Integrationslandesrat Rudi Anschober soll es bereits in gut einem Dutzend Unternehmen ähnliche Probleme geben. (Irene Brickner, Markus Rohrhofer, 6.10.2017)