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Agenten des FBI setzen die Spurensicherung auf dem Festivalgelände in Las Vegas fort. Am Sonntag erschoss Stephen Paddock dort 58 Menschen.

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Mit einem sogenannten Bump-Stock können halbautomatische Waffen wie automatische abgefeuert werden. Der Finger des Schützen ruht dabei auf einem Vorsprung unter dem Abzug.

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Er gehe gern auf die Jagd, sagt John Cornyn, doch wozu man einen Bump-Stock brauche, verstehe er nicht. Die Rede ist von einem speziellen Gewehrkolben, dessen Mechanismus es Schützen ermöglicht, aus einer halbautomatischen Schusswaffe schnelle Feuerstöße wie aus einem Maschinengewehr abzugeben. Mit einem Bump-Stock lässt sich das Verbot für den Erwerb vollautomatischer Waffen, wie es der US-Kongress Mitte der Achtziger verfügte, de facto umgehen.

Im Jahr 2010, als das Büro für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoff dem Verkauf der Spezialkolben grünes Licht gab, schenkte das Land dem Verwaltungsakt nur wenig Aufmerksamkeit. Das ändert sich gerade. Nach dem Horror von Las Vegas rückt die Senatorin Dianne Feinstein den Bump-Stock in den Fokus, um wenigstens eine Minireform durchzusetzen, eine zumindest symbolische Verschärfung der Waffengesetze.

Verheerende Wirkung

Obwohl ein solcher Kolben im Handel keine zweihundert Dollar koste, sei seine Wirkung verheerend, legt Feinstein den Finger in die Wunde. Statt der 45 bis 60 Schuss, die ein Schütze pro Minute aus einem halbautomatischen Gewehr abgeben könne, könne er nach dem Einbau des Teils 400 bis 800 Mal feuern. Es gebe nur einen Grund, eine Flinte derart zu modifizieren, nämlich "in kürzester Zeit so viele Menschen wie möglich zu töten". Nach Erkenntnissen des FBI hat Stephen Paddock zwölf der 23 Waffen, die er auf seine Hotelsuite brachte, bevor er Konzertbesucher ins Visier nahm, mit Bump-Stocks ausgerüstet.

Die Dinger vom Markt zu nehmen, es ist womöglich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Demokraten und Republikaner einigen können. Der Ersatz für weitreichende Korrekturen. Große Würfe sind derzeit nicht drin, das weiß auch Dianne Feinstein, die Grande Dame des Senats, eine 84-jährige Demokratin aus San Francisco, die sich seit langem vergeblich bemüht, den Trend zu immer laxeren Waffenparagrafen umzukehren.

Als Adam Lanza, ein geistig verwirrter Einzelgänger, an der Sandy-Hook-Grundschule zwanzig Erstklässler erschoss, versuchte sie, wiederzubeleben, was Präsident Bill Clinton durchgeboxt hatte. Ein Verbot von Sturmgewehren, 1994 verfügt und 2004, als es auslief, nicht mehr verlängert. Ihr Vorstoß scheiterte nicht nur am Widerstand der Republikaner, sondern auch an Bedenken mancher Parteifreunde aus ländlich geprägten Bundesstaaten. Bump-Stocks auf den Index zu setzen, es war ein Passus des Gesetzesentwurfs, den Feinstein damals präsentierte.

Indem sie sich nunmehr allein darauf beschränkt, versucht sie, auch Konservative ins Boot zu holen, die in der Forderung nach strengeren Regeln schnell einen Generalangriff auf das Recht auf privaten Waffenbesitz wittern. Und wenn nicht alles täuscht, stehen ihre Chancen diesmal gar nicht so schlecht.

Melodie der NRA

Immerhin lehnt die republikanische Parlamentsmehrheit den Vorschlag nicht von vornherein ab. Gewiss, es gibt Hardliner, die davon nichts wissen wollen, etwa Senator John Kennedy aus Louisiana: "Ich glaube nicht, dass wir achtzig, neunzig Millionen Waffenbesitzer für das Handeln eines Idioten bestrafen dürfen", sagt er. Den Bump-Stock aus dem Verkehr zu ziehen, für manche Anhänger der reinen Lehre rüttelt schon das an dem Verfassungsgrundsatz, wonach der Waffenbesitz freier Bürger durch nichts eingeschränkt werden darf. Aber überraschenderweise sprach sich auch die Waffenlobby National Rifle Association (NRA) für ein Verbot auf Basis bestehender Gesetze aus.

Auch Steven Scalise, ein Abgeordneter, der fast verblutet wäre, als ihn die Kugel eines mental gestörten Pensionisten beim Baseballtraining an der Hüfte traf, warnt vor einer Art Rutschbahneffekt. Leute am linken Rand, sagte er der Washington Post, lauerten doch nur auf ein Ereignis wie das Blutbad von Las Vegas, in der Hoffnung, dass es mit einem Schlag verändere, was über Jahrzehnte an politischen Ansichten gewachsen sei. Donald Trump wiederum hat die Frage nach Waffenkontrollen bei einem Besuch der Casinostadt mit einer Sprechblase abgetan: Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um darüber zu reden.

Da ist aber eben auch ein Texaner wie Cornyn, der Hackordnung nach die Nummer zwei der Regierungspartei in der Senatskammer, der ein Zusammengehen mit Feinstein nicht ausschließen möchte. Nach dem Sandy-Hook-Massaker hatte er der Kollegin aus Kalifornien noch entgegnet, Verbote machten keinerlei Sinn, vielmehr gelte es zu verhindern, dass verwirrte Menschen an gefährliche Schießeisen kämen. Diesmal gesteht er ihr zu, eine legitime Sorge geäußert zu haben. Das mit dem Bump-Stocks, sekundiert Cornyn, verdiene es, näher unter die Lupe genommen zu werden.

Nachricht hinterlassen

Indessen geht die Suche nach einem Motiv des Schützen von Las Vegas weiter. Sheriff Joseph Lombardo bestätigte am Mittwoch, dass Paddock eine Nachricht in der Hotelsuite hinterlassen hatte. "Es handelt sich nicht um einen Abschiedsbrief. Das kann ich ruhigen Gewissens sagen", so Lombardo. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der 64-Jährige nicht sterben wollte, sondern womöglich seine Flucht geplant hatte.

Seine Lebensgefährtin Marilou Danley hatte er Tage vor dem Attentat mit einem Flugticket auf die Philippinen geschickt. Damit sie ihre Familie besuchen könnte, sagte Danley in einer Stellungnahme am Mittwoch, die von ihrem Anwalt verlesen wurde. Paddock hätte ihr außerdem tausende von Dollar überwiesen, damit sie ein Haus kaufe.

"Zu keinem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, dass er jemandem Gewalt antun kann", so Danley. Vielmehr habe sie befürchtet, dass sich Paddock von ihr trennen könnte. "Ich bin eine Mutter und eine Großmutter, und mein Herz bricht, wenn ich an all jene denke, die einen geliebten Menschen verloren haben", sagte die Frau.

"Wir wissen nicht, was sie wusste", sagte Steven Wolfson, der Bezirksstaatsanwalt in Clark County: "Also glaube ich, dass sich viel mehr in den kommenden 48 Stunden auftun wird."

Laut Sheriff Lombardo war Paddock "verwirrt" und vieles in seinen vergangenen zehn Lebensjahren ein Mysterium. "Wir wissen, dass Stephen Paddock ein Mann war, der ein geheimes Leben gelebt hat, von dem wir vieles niemals vollkommen verstehen können", so der Sheriff. (Frank Herrmann aus Washington, 5.10.2017)