Von der SPÖ als rote Hoffnung gehandelt, muss die Medizinerin Pamela Rendi-Wagner im Wahlkampf plötzlich politische Krisen behandeln.

Foto: APA/Hochmuth

Wien – Zu jedem fällt ihr etwas ein. Die Idee des beliebig erweiterbaren Wohnkubus, der im Scheidungsfall leicht wieder aufzuteilen sei, spinnt sie belustigt weiter: "Nimm deinen Cube, und geh, haha!" Den Vorschlag des Baumeisters, in seinen Massivkellern Stauraum für die "sicherlich zahlreichen Damenschuhe" einzurichten, weist sie mit erhobenem Zeigefinger zurück. Lieber sollten dort die Weinflaschen lagern.

Es ist der erste Tag der Bau Energie Messe in Wieselburg, vor kurzem hätte Joy Pamela Rendi-Wagner noch nicht damit gerechnet, dass sie heute hier ihre Runden dreht. Seit März ist die Medizinerin Gesundheits- und Frauenministerin, manche in der SPÖ wollen sie gar für noch höhere Weihen bestimmt sehen.

Zuerst als Expertin wahrgenommen, die medizinische Fragen auf den Boden bringen kann, erfüllt sie nun auch die Rolle der Politikerin, die Sätze formulieren kann, ohne dabei etwas zu sagen. In der Pressestunde Ende Mai klingt das, gefragt nach Rot-Blau, dann so: "Die wichtigste Allianz ist die Allianz mit den Menschen." Eine ideologische Zuordnung innerhalb der Partei vermeidet sie.

Ab ins Ausland

Aufgewachsen ist Rendi-Wagner im Wien der 1980er-Jahre, zwei Halbbrüder auf jeder Seite der geschiedenen Eltern. Die Mutter Kindergärtnerin, der Vater Sozialpsychologe. Tochter Joy Pamela, die ihren ungewöhnlichen Vornamen mit der Hippie-Vergangenheit der Eltern erklärt, studiert Medizin. Einen Teil der Famulaturen absolviert sie im Ausland, während des Ferialjobs bei einem Medizinkongress lernt sie ihren späteren Mann Michael Rendi, den heutigen Kabinettschef von Kulturminister Thomas Drozda, kennen. Gemeinsam befüllt man damals die Taschen der Kongressteilnehmer mit Infomaterial.

Die Wartezeit auf einen Ausbildungsplatz nach dem Studium nutzt Rendi-Wagner zur Erlangung des Masters in Public Health an der University of London. Zurück in Wien beginnt sie am Institut für Tropenmedizin ihre klinische Ausbildung und macht sich einen Namen als Impfexpertin. Nach einer Studie über den Nutzen einer Gratis-Rotavirusimmunisierung für Kinder ist diese seit 2006 Teil der Impfempfehlungen.

Als 2005 die erste Tochter zur Welt kommt, schreibt Rendi-Wagner während der sechs Karenzmonate an ihrer Habilitation. Drei Jahre später wird ihr Mann Botschafter in Israel, Rendi-Wagner übernimmt eine Gastdozentur an der Universität Tel Aviv und lernt Hebräisch. In Israel kommt auch die zweite Tochter zur Welt. Als sie sich für die Leitung der Sektion Öffentliche Gesundheit in Österreich bewirbt, ermuntert sie ihr Mann: Jetzt sei ihre Karriere dran.

Alois Stöger ist damals Gesundheitsminister. Heute freut er sich, dass seine Einschätzung, Rendi-Wagner sei eine "hochintelligente Frau, die sich gut auf Leute einstellen kann", auch in der öffentlichen Wahrnehmung bestätigt wird. Auch Kanzler Christian Kern erkennt ihr Talent und macht die 46-Jährige nach dem Tod von Sabine Oberhauser im Februar dieses Jahres zur Gesundheits- und Frauenministerin. Dass er sich damit auch einen Medienprofi holt, weiß er – Rendi-Wagner schaffte es, 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima die Bevölkerung unaufgeregt zu informieren. Parteimitglied wird sie erst am Tag vor ihrer Angelobung.

Nach anfänglicher Skepsis zeigen sich jetzt sogar die SPÖ-Frauen begeistert: "Die Bilanz kann sich sehen lassen", findet Gabriele Heinisch-Hosek, ihre Vorvorgängerin im Frauenministerium. Selbst die Ärzteschaft ist trotz inhaltlicher Differenzen von der Ministerin angetan.

Heute wird sie vom Boulevard als "Geheimwaffe von Kanzler Kern" tituliert. Tatsächlich nimmt sie eine tragende Rolle im Wahlkampf ein, gilt laut Umfragen als beliebte, aber wenig bekannte Ministerin.

Im Wahlkampffinale ist sie gemeinsam mit Kern und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in Wien plakatiert – wobei Letzterem nachgesagt wird, stärker in die Machtspiele innerhalb der Partei involviert zu sein.

Rettungsplan

Kerns Plan A war, die Quereinsteigerin als kompetente, sympathische und moderne Frau zu präsentieren, die auch außerhalb des traditionellen roten Lagers punktet. Doch im verkorksten SPÖ-Wahlkampf muss Rendi-Wagner für Plan B herhalten und retten, was noch zu retten ist.

Ob die Nummer zwei auf der Bundesliste im Fall der Fälle auch ins Parlament ginge? Sicher ist nur: Die SPÖ sucht einen Gesundheitssprecher. Der langjährige Abgeordnete Erwin Spindelberger kandidiert nicht mehr. Rendi-Wagner könnte auch als Beamtin ins Ministerium zurückkehren. (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, 7.10.2017)