ÖGB-Präsident Erich Foglar (links) und Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl raten Kurz, besser weiterhin auf sie zu hören.

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Wien – Regierungen kamen und schieden, die Sozialpartner blieben. So war das bisher – und das, obwohl den Interessenvertretern regelmäßig mit Entmachtung gedroht wird. Die jüngste Ansage: ÖVP-Chef Sebastian Kurz wolle Gegenwind seitens der Sozialpartner künftig nicht mehr so leicht nachgegeben. "Ich glaube, sie werden sich das gefallen lassen müssen", verkündete er in der ATV-Sendung Reality Check.

Erich Foglar, Präsident des Gewerkschaftsbundes, spricht nun eine Mahnung aus. "Ich warne Herrn Kurz ausdrücklich vor den Folgen, wenn er die Sozialpartnerschaft aufs Spiel setzt", sagt er zum STANDARD: "Wir hatten das schon einmal, dass die Sozialpartner zurückgedrängt wurden. Die Folgen waren, dass Leute auf die Straße gingen, und Streiks. Wünscht er sich das zurück?"

Das ist als Anspielung auf Schwarz-Blau zu verstehen: Wolfgang Schüssel – ÖVP-Kanzler von 2000 bis 2007 – hielt die Sozialpartner eine Zeitlang kurz. Gegen dessen Pensionsreform organisierte der Gewerkschaftsbund (ÖGB) 2003 eine der größten Demonstrationen der Zweiten Republik. Letztlich musste Schüssel die Interessenvertreter wieder einbinden.

Die Sozialpartnerschaft umfasst vier Verbände: auf Arbeitgeberseite die schwarze Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer, auf Arbeitnehmerseite die rote Arbeiterkammer und den Gewerkschaftsbund – bei entscheidenden Fragen sitzen Vertreter dieser Institutionen mit der Regierung am Verhandlungstisch. Ziel ist es, dass die vier großen Interessenverbände zur Sicherung des sozialen Friedens im Dialog stehen – miteinander und mit der Politik.

Es brauche eine "klarere Trennlinie zwischen Sozialpartnerschaft und Regierung", gibt sich Kurz nun überzeugt. "Jede Regierung hat das Recht, zu Verhandlungen einzuladen, wen sie will", antwortet ihm der Sprecher von Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl. Nachsatz: "Die nächste Regierung wird aber gut beraten sein, auf unseren Ratschlag zu hören." ÖGB-Präsident Erich Foglar erwidert: "Wenn Kurz glaubt, auf unsere Kompetenz verzichten zu können, sagt das mehr über ihn aus als über die Sozialpartner."

Kurz ist selbst in dieser Regierungsperiode nicht der Erste, der den Sozialpartnern die Flügel stutzen will. Mitte 2016 hatte sein Vorgänger Reinhold Mitterlehner "eine Umorientierung" gefordert, da beide Seiten immer nur nicht umsetzbare Forderungen stellen würden. Finanzminister Hans Jörg Schelling – ebenfalls ÖVP – löste vor gut einem halben Jahr eine Welle der Empörung aus, nachdem er in einem Interview statuiert hatte: "Die Sozialpartnerschaft ist tot. Sie weiß es nur noch nicht." (Katharina Mittelstaedt, 5.10.2017)