Die Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek im STANDARD-Interview: "In Deutschland trat vor ein paar Tagen die Ehe für alle in Kraft, bei uns ein Burkaverbot, durch das drei Clowns und eine Touristin abgemahnt werden konnten. Das macht uns irgendwie lächerlich."

Das wird denen nicht gefallen, die glauben, man könnte durch das Verbot der Totalverschleierung einen mehr als symbolischen Beitrag zur Bekämpfung des patriarchalisch-islamischen Frauenbildes leisten.

Frau Lunacek ist in einer strategisch ungünstigen Lage. Die Abspaltung von Peter Pilz hat gezeigt, dass die Grünen beim Besorgnisthema Nummer eins der Österreicher, dem eingebildeten und tatsächlichen Vormarsch des Islam, Realitätsverweigerung betrieben. Einerseits hat Lunacek recht, wenn sie das Burkaverbot implizit eine Pseudomaßnahme nennt. Andererseits können die Grünen nicht leugnen, dass etwa im Fall des Ehrenmordes in einer afghanischen Migrantenfamilie zutiefst verstörende Seiten einer zu uns verpflanzten archaischen Kultur zutage kommen.

Lunacek ist – wie die Grünen überhaupt – glaubwürdig, wenn es gegen eine rechtskonservativ-rechtspopulistische Hegemonie geht, die in Österreich im Werden ist. Aber Haltung allein genügt nicht. Wer Grün deswegen seine Stimme geben will, darf eine praktische Strategie verlangen. Die Mitte-links-Partei SPÖ ist schwer angeschlagen, die alternativ-linken Grünen sind ebenfalls in gröberen Turbulenzen. Ulrike Lunacek strahlt Solidität, Vernunft, Humor (selten unter Grünen) und Unaufgeregtheit aus. Mal sehen, ob das genügt. (Hans Rauscher, 6.10.2017)