SPÖ-Urgestein Josef Cap.

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Jetzt ist Tal Silberstein endgültig entschleiert. Und zu verdanken hat er das nicht einem moralisch hochgerüsteten Verehrer von Sebastian Kurz, sondern der Allianz von "Heute" und einem SP-Urgestein. Im Bestreben, in dieser Rolle den Nationalrat auch nach dem 15. Oktober zu schmücken, gewährte Josef Cap dem Blatt ein Interview, das U-Bahn-Benützer gratis darüber informieren sollte, wie er um Vorzugsstimmen kämpft, ob Opposition für ihn auch "Mist" ist und wie er die Silberstein-Affäre sieht. Mit seiner Einschätzung trifft er doppelt, nämlich sowohl jene, die ihn für die Nationalratswahl auf den 33. Listenplatz reihten und damit als SP-Urgestein vor die Wahl zwischen einem altersbedingten Ausscheiden oder einem Rennen um Vorzugsstimmen stellten – als auch besagten Silberstein. "Ich hätte Tal Silberstein in der SPÖ nicht alle Türen geöffnet", sagt Cap zur aktuellen Krise. Aber nicht etwa aus moralischen Gründen, was Silberstein gewiss nicht weiter gekränkt hätte, nein, Caps schlichter Grund ist grausamer: "Ich halte fachlich nichts von ihm." Allmählich könnte einem der auch in Israel Verfolgte leid tun. Wegen seiner fachlichen Qualitäten von der SPÖ erst geholt, um dann moralisch entsorgt zu werden, und gleichzeitig von einem SP-Urgestein moralisch neutralisiert, aber fachlich angezweifelt zu werden – das ist hart.

Schön hingegen, wie reibungslos der Frühling von Caps politischem Leben in dessen Spätherbst übergeht. Eroberte er einst seinen Platz im Parlament als erste Karrierestufe zum SP-Urgestein mit dem Angriff auf einen burgenländischen Landeshauptmann, findet er sich nun in schöner Eintracht mit dessen aktuellem Nachfolger. Wo der sagte, Opposition wäre "Mist", gab es von Cap auf die Frage von "Heute", ob sich die SPÖ in der Opposition erneuern sollte, nur eines: Schmunzeln. "Das ist realitätsfern." Die Opposition nahe, die Erneuerung der SPÖ realitätsfern? Cap muss es wissen.

Gesichtsverhüllungsverbot

Auch ein anderes Urgestein hat wieder zugeschlagen. Ihren Beitrag zu der gesetzlichen Entschleierung hätt ich Ihnen an Nowaks Stelle um die Ohren gehaut. Wegen Absurdität!, formulierte Michael Jeannée in der "Kronen Zeitung" Kritik an Sibylle Hamann. Die sah in ihrer "Presse"-Kolumne in dem von Wolfgang Sobotkas Geistigkeit durchseuchten Gesichtsverhüllungsverbot weniger eine sinnvolle Maßnahme gegen den politischen Islam, sondern eher einen Vorwand, um einen weitreichenden Eingriff in unsere Rechte auf Privatheit auf Schiene zu bringen.

Einschlägige Bemühungen des Innenministers bedrohen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht zum ersten Mal, weshalb jeder Hinweis auf sie gerade für Journalisten eine Verpflichtung wäre. Jeannée sah das – fast möchte man sagen naturgemäß – anders und präsentierte sich dem Chefredakteur der "Presse", Rainer Nowak, als Vorbild im pädagogischen Traktieren von Journalisten. Die Freude darob war fast allgemein. Der Innenminister weiß nun das geistige Österreich hinter sich, und die Mitarbeiter der "Presse" können aufatmen, dasselbe nicht als Chef zu haben.

Ringen um ihr Herzensanliegen

Am selben Tag, an dem Jeannée sich in seiner "Krone"-Kolumne anbot, den Ohren Sibylle Hamanns nahezutreten, erschien in "Österreich" die Behauptung: Der gute Herr Jeannée schreibt derzeit offenbar lieber "Entgegnungen" in "Österreich" als Kolumnen in der "Krone". Als Heroen des heimischen Journalismus sind Wolfgang Fellner und Michael Jeannée seit längerem in einem gewaltigen Ringen um ihr Herzensanliegen – Wahrheit – befangen. Die alte Frage "Was ist Wahrheit?" wird dabei nicht zum ersten Mal in völlig neuem Geist aufgerollt, nämlich in ihrer ganzen Situationsbedingtheit.

Dabei dreht sich alles um den Zeitpunkt der inkriminierten Veröffentlichung, von dem letztlich alle Wahrheit abhängt. Fakt ist, laut "Österreich", dass Michael Jeannée der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer zumindest einmal entzogen wurde. Dem konnte Jeannée wahrheitsgemäß entgegenhalten, derzeit und auch zum Zeitpunkt der inkriminierten Veröffentlichung im Besitz seines Führerscheins gewesen zu sein. Zu besagtem Zeitpunkt sei auch keine einzige Klage von "Österreich" gegen Michael Jeannée gerichtsanhängig gewesen, wohingegen "Österreich" eine solche bereits auf dem Postweg sah, und der kann sich ziehen. Dass Jeannée derzeit wieder im Besitz seines Führerscheins ist, könnte man, laut "Österreich", als gefährliche Drohung werten. Wenn das nur nicht die Wahrheit ist! (Günter Traxler, 8.10.2017)