Shorttracker wie Nico Andermann (vo.) haben es in Österreich nicht leicht. Olympia kann trotzdem ein Thema sein, dafür müsste sich aber etwas ändern.

Foto: Peter Maurer/ÖESV

Wien – "Ernsthaft betreiben wir den Sport seit ungefähr einem Jahr, als wir unseren neuen Trainer bekamen. Unser voriger hat sich nicht drum gekümmert", sagt Dominic Andermann, 20 Jahre alt und einer der besten Shorttrack-Eisläufer Österreichs. "Mit den veralteten Techniken kommst du mit dem heutigen Speed einfach nicht mehr um die Kurve."

Der neue Trainer heißt Ivan Pandov, ist Bulgare, "er kennt sich aus". Österreich kooperiert jetzt mit Bulgarien und Kroatien, das ermöglicht zum Beispiel ein neunwöchiges Sommertrainingslager. Es ist ein junges Team, fünf Mann waren am vergangenen Wochenende beim ersten Weltcup in Budapest anzutreffen: Dominic und Nicolas Andermann (18), Heinrich Liu (17) und Philemon Rainer (21) waren auf dem Eis, Matthias Wolfgang (20) war wegen fünf Rippenbrüchen auf der Tribüne.

Zeitenmangel

Die "Andermänner", Liu und Wolfgang trainieren allesamt in Wien, konkret in der Halle beim Eisring Süd, tief im zehnten Hieb beim Wienerberg und der Endstation der Einser-Bim. In einer Halle, in der man eher sowjetische Olympiasieger von 1956 als Österreichs Hoffnungsträger anno 2017 vermuten würde. Wenn sie denn rein dürfen. "Wir haben unter der Saison zwei Eiszeiten die Woche, das ist einfach gar nichts", sagt Dominic Andermann. Eine Eiszeit sind 90 Minuten.

Der Eisring Süd: Ein Schmuckkästchen sieht anders aus.
Schauhuber

Das ist der Kern des österreichischen Shorttrackpudels: Die besten Athleten dieser Olympiasportart trainieren unter der Saison nur drei Stunden pro Woche auf Eis. "Das Eisgefühl ist dann einfach nicht mehr da", sagt der ältere Andermann. Der Kärntner Rainer ist nach Calgary geflüchtet, vom Verband gibt es einen Zuschuss, dennoch ein teures Vergnügen für die zahlenden Eltern.

Beinhart

Also abseits des Trainingslagers: Trockentraining. "Elfmal die Woche, im Sommer zum Teil mehr", sagt Nico Andermann. "Am liebsten würde ich morgen auf Trainingslager fahren und die nächsten vier Jahre bis Olympia dort bleiben", sagt Wolfgang. Die Rippen hat er sich in Zagreb gebrochen, dort ist der Bandenschutz nicht so dick und teuer wie in der Budapester Weltcup-Halle.

Zurück nach Wien. "Wir hätten damals eine zweite Halle gebraucht", sagt Hans Gunsam vom Betreiberverein des Eisring Süd. Damals, das war 2010, der Bund hätte ein Bundesleistungszentrum teilfinanziert, bestätigt der damalige Sportstadtrat Christian Oxonitsch dem STANDARD. Den laufenden Betrieb hätte der Bund aber nicht bezahlt, gerade der ist laut Oxonitsch "bei einer Eishalle eine Wahnsinnsbelastung". Bau- und Finanzierungskonzept waren fix und fertig, der Stadt war es schlussendlich zu teuer. Dazu kam der Ausbau der Albert-Schultz-Halle – also kein Leistungszentrum in Favoriten, keine zweite Halle.

Verhandlungen

Bis 2010 vergab das Wiener Sportamt (MA 51) die Eiszeiten für Eisring Süd und Wiener Stadthalle, seitdem der Betreiberverein. Zweimal im Jahr beschließen alle beteiligten Vereine und Verbände die Eiszeiten einstimmig, Geld spielt natürlich eine Rolle, "Eishockey steuert einen hohen Beitrag bei. Auf jeden Fall kostendeckend, was Eiskunstlauf und Shorttrack nicht so finanzieren können", sagt Gunsam. Die Hobby-Eishockeyvereine finanzieren quasi die anderen Sportarten quer. Auch Schul- und Publikumseislauf brauchen Zeit, da bleibt den Shorttrackern nicht viel. Ihr Verein bezahlt die Stunden mit Förderungen der Stadt.

Die elektrische Eismaschine am Eisring Süd hat bereits 60.000 Euro an Reparaturkosten verschlungen.
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Shorttrack ist kein reicher Sport. Manche Weltcup-Athleten haben keinen Ersatzrennanzug, ihre Verbandsjacken sind sieben Jahre alt. "Voriges Jahr haben sie uns gefragt: Wollt ihr neue Jacken oder Schienen? Natürlich haben wir alle die Schienen genommen", erzählt Wolfgang.

Am Horizont droht eine Problemverschärfung: Der Eisring Süd wird bald saniert, eine Sport-und-Fun-Halle dazugebaut. Geplanter Baubeginn ist laut Gunsam April 2018. Die Sperrzeiten sollen laut Alfred Strauch, Sprecher von Sportstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, "so kurz wie möglich" gehalten werden. "Theoretisch ist es möglich, dass die Halle nicht ausfällt", sagt Strauch. Der Hallenbetreiber zweifelt: "Ich denke, dass das sehr knapp wird mit einer Saison, möglicherweise fällt eine zweite weg. Das wäre dann natürlich dramatisch."

Der Maschinenraum unter der Eishalle Süd: Muss er im Zuge der Sanierung verlegt werden, müssten Teile davon neu gekauft werden und eine neue Betriebsgenehmigung eingeholt werden. "In einem Jahr geht das nicht", sagt Gunsam.
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Gunsam fände es "sinnvoll, wenn die Stadt Wien eine Ersatzmöglichkeit mit einer Eismaschine und transportablen Matten wie am Rathausplatz schaffen würde". Laut Strauch ist diesbezüglich noch nichts geplant, da Informationen des Bauträgers fehlen. Ein Teil des bisherigen Eisring-Geländes weicht einem Gemeindebau und einem großen Supermarkt, im Austausch für das Grundstück verpflichtete sich die Gesiba (Gemeinnützige Siedlungs- und Bau AG), die Sanierung des Eisrings zu bezahlen.

Gunsam deponierte die nötigen Eckpunkte der renovierten Halle bereits bei den zuständigen Architekten. Er teilt den Optimismus der Stadt Wien bezüglich einer schnellen Erledigung nicht, ein Lokalaugenschein zeigt: Dem Bauträger steht eine komplizierte Sanierung auf engem Raum bevor. Ein Schelm, wer sich zu dunklen Erinnerungen an das Debakel um das Stadthallenbad hinreißen lässt.

Herbergssuche

Von derartigen Komplikationen ist freilich nicht auszugehen, auf einen Hallenausfall bereiten sich die Betroffenen dennoch vor. Der Wiener Eisschnelllaufverband hat einen Plan: Von der Albert-Schultz-Halle gebe es eine Zusage für Eiszeiten, sagt Präsident Anton Pickl. Nur das Platzproblem der Container für die Bandenschutzaufbewahrung müsse noch gelöst werden. Ein Ausbau der Shorttracktrainingszeiten scheint zwar ausgeschlossen, der Super-GAU aber vermieden.

"Wenn wir unseren Trainer behalten und mehr Eis haben, wäre Olympia auf jeden Fall ein Ziel", sagt Dominic Andermann. "Wenn wir die Möglichkeit haben, schaffen wir es zumindest auf den Level, wo eine Qualifikation möglich ist", sagt Matthias Wolfgang. Aber: "So, wie die Bedingungen jetzt sind, ist es wahrscheinlich nur ein Traum." (Martin Schauhuber, 9.10.2017)