Innsbruck – Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek zielt im Zuge der Dirty Campaigning-Skandale nicht nur auf enttäuschte SPÖ-Wähler, sondern auch auf ÖVP-Sympathisanten ab. Sie kenne viele in der ÖVP, die mit dem "Kurs von Sebastian Kurz bzw. dem 'Kurz-Sobotka-Kurs' überhaupt nicht einverstanden sind", sagte Lunacek im gemeinsamen APA-Interview mit der grünen Bundessprecherin Ingrid Felipe in Innsbruck.

"Es gibt sicher einige, die enttäuscht sind, welche Methoden die angeblich so neue ÖVP anwendet", erklärte die grüne Spitzenkandidatin und will laut eigenen Angaben sogenannte "Schwarz-Grün"-Wähler gewinnen. Denn diesen potenziellen Wechselwählern könne man klar sagen, dass die Grünen für "Transparenz und klare Inhalte" stünden. Sollte es tatsächlich so sein, dass ein enger Mitarbeiter von ÖVP-Chef Kurz versucht habe, Geld anzubieten um an Informationen über die SPÖ zu kommen, wäre das auch "unterste Schublade", so Lunacek, die in den Affären einen immensen Schaden für das Ansehen der Republik sieht.

"Was Kurz und Sobotka verzapfen, ist nicht christlich-sozial"

"Dieser 'Kurz-Sobotka-Kurs' – das ist einer, der mit uns sicher nicht geht. Weder inhaltlich noch vom Stil her", meinte die Grüne-Frontfrau angesprochen auf eine mögliche "Dirndlkoalition" aus ÖVP, NEOS und den Grünen. "Was Kurz und Sobotka verzapfen, ist nicht christlich-sozial", meinte auch Felipe. Hauptknackpunkt einer solchen Zusammenarbeit sei sicher die Migrations- bzw. Flüchtlingspolitik.

Lunacek erinnerte aber auch daran, dass die Volkspartei "flexibel" sein könne. Dies habe man in Oberösterreich gesehen, wo die ÖVP nach Schwarz-Grün mittlerweile mit Schwarz-Blau einen diametral entgegengesetzten Kurs fahre und unter anderem die Energiewende von einem Tag auf den anderen ad acta gelegt habe, hielt Lunacek offenbar auch eine Kursänderung in die andere Richtung für möglich. "Und dass Kurz situationselastisch sein kann, hat er ja auch gezeigt – vom Eintreten für mehr Willkommenskultur hin zur Schließung der Westbalkanroute", meinte wiederum Felipe. Wenn der Druck auf Kurz von jenen, die keine Zusammenarbeit mit der FPÖ wollen, so große werde, dass dieser "etwas anderes will" und auch bereit sei, über grüne Inhalte zu verhandeln, dann könne man reden, hielt Lunacek die Tür zu Schwarz offen.

In punkto Unterstützung einer möglichen Minderheitsregierung wollte sich die grüne Spitzenkandidatin nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Man könne sich "das anschauen", im Parlament Mehrheiten zu suchen finde sie grundsätzlich attraktiv. Aber andererseits sei eine Minderheitsregierung auch keine Regierungsform, die "Stabilität verspricht".

Grüne im Aufwind

Die Grünen sieht Lunacek acht Tage vor der Wahl jedenfalls im Aufwind: "Die Zustimmung steigt an." Sie ist sicher, dass man "noch zulegen" könne und ein "für die Umstände gutes Ergebnis" einfahre. Die ursprünglich angestrebte Zweistelligkeit wieder zu erreichen, werde jedoch "sicher schwierig".

Die parteiinterne Doppelsitze soll es jedenfalls auch nach der Wahl geben. Felipe, die als LHStv. im kommenden Jahr eine Landtagswahl zu schlagen hat und eine Fortsetzung von Schwarz-Grün will, erklärte, Bundessprecherin bleiben zu wollen. Lunacek will im Nationalrat als Klubchefin der Öko-Partei fungieren. Dies sei auch bereits mit dem derzeitigen Klubobmann Albert Steinhauser so abgesprochen.

Erneute Sanktionen im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung erwarteten die beiden Spitzenpolitikerinnen indes nicht. Es gebe aber "große Besorgnis" auf EU-Ebene, so Lunacek. Und Felipe erwartete "negative Konsequenzen für den Wirtschafts-, aber vor allem auch den Tourismusstandort": "Es gibt internationale Unternehmen und Touristen, die sagen, in ein Land das nach rechts driftet, da investieren wir nicht und fahren auch nicht auf Urlaub." (APA, 7.10.2017)