Das Krankenhaus Nord soll bis Ende 2017 baulich fertiggestellt sein. Der KAV preist – um das Budget vorerst einhalten zu können – bereits fix 200 Millionen Euro an Regressforderungen ein.

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Das Krankenhaus Nord soll laut Krankenanstaltenverbund 2018 in Betrieb genommen werden.

Grafik: Der Standard

Wien – Noch vor der baulichen Fertigstellung des Krankenhauses Nord Ende des Jahres laufen die ersten großen gerichtlichen Auseinandersetzungen rund um das Milliardenprojekt an. Am vergangenen Donnerstag hat im Rechtsstreit zwischen dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) und der geschassten Arbeitsgemeinschaft (Arge) Projektsteuerung eine erste Verhandlung am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien stattgefunden. Das bestätigte Rechtsanwalt Wilfried Opetnik von der Kanzlei Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik, der die Arge vertritt, dem STANDARD.

Die Arge der ehemaligen Projektsteuerung (Vasko+Partner, Ingenos Gobiet sowie das Ingenieurbüro Prof. Burkhardt Ingenieure), die vom KAV im April 2016 gekündigt worden war, reichte nach gescheiterten Vergleichsgesprächen noch im Oktober desselben Jahres eine Klage auf ausstehende Honorare in Höhe von 3,2 Millionen Euro ein. Vergangene Woche, also ein Jahr später, folgte die erste Verhandlung. Auf die Frage, ob sich die Klage ausgeweitet hat, sagte Opetnik: "Die Klagssumme ist jedenfalls nicht weniger geworden."

Warnung vor "sich abzeichnendem Desaster"

Die Arge macht laut einer Stellungnahme geltend, dass man den KAV "vor dem sich abzeichnenden Desaster" beim Krankenhaus Nord gewarnt und auf Schwachstellen hingewiesen habe. Der KAV sprach im März 2017 hingegen davon, dass "trotz mehrfacher Aufforderung nicht die notwendigen Leistungen erbracht wurden". Der KAV reichte als Gegenmaßnahme eine Feststellungsklage auf 600.000 Euro ein.

Laut Rechtsanwalt Opetnik habe es auf Initiative des Gerichts eine Einigung auf Vergleichsgespräche gegeben. Ein Mediationsverfahren läuft. Opetnik: "Wir sind zuversichtlich, dass in den nächsten sechs Monaten eine gütliche Einigung möglich wird." Weitere Inhalte wollte er nicht bekanntgeben.

Zweite gerichtsanhängige Causa läuft

Eine zweite gerichtsanhängige Causa läuft zudem zwischen KAV und der Arbeitsgemeinschaft Statik. Nach einer Klage des KAV habe diese Vergleichsgespräche angeboten, hieß es im Frühjahr. Zu den beiden laufenden Verfahren gegen Projektsteuerung und Statik – die bisher einzigen gerichtsanhängigen Auseinandersetzungen in der Causa Krankenhaus Nord – gibt der Spitalsträger "keine Stellungnahme ab".

Regressforderungen nicht inkludiert

Das Krankenhaus Nord in Wien-Floridsdorf, nach Eigenangaben das modernste Spital Europas, war ursprünglich mit 825 Millionen Euro budgetiert. Nach zeitlichen Verzögerungen rechnet der KAV aktuell mit rund 1,1 Milliarden Euro Kosten. Nicht inkludiert sind aber weitere 200 Millionen Euro, die sich der KAV via Regressforderungen an Firmen holen möchte. Um das zu erreichen, müsste die Stadt aber wohl alle strittigen Fälle mit den beauftragten Unternehmen gewinnen.

Nicht eingepreist sind in den vom KAV genannten 1,1 Milliarden Euro zudem auch die Finanzierungskosten. "Das waren sie von Beginn auch nie", heißt es in einer Stellungnahme des KAV. Diese Darstellung sei auch bei vergleichbaren Bauprojekten so. "Die Abwicklung von Refinanzierungen ist Entscheidung und Kompetenz der Stadt Wien."

Warten auf Rechnungshof-Bericht

Für mehr Klarheit soll der Rohbericht des Rechnungshofs (RH) zum Krankenhaus Nord sorgen. Dieser liegt noch nicht vor. In einem Prüfvermerk der externen begleitenden Kontrolle (Fritsch, Chiari & Partner ZT) soll laut Presse die Rede von 1,5 Milliarden Euro Kosten sein.

Parallel zur baulichen Fertigstellung bis Ende des Jahres läuft die technische Inbetriebnahme des riesigen Komplexes laut KAV schrittweise weiter. 22 technische Experten, darunter sämtliche Führungspositionen, sind bereits im Spital tätig, bis Jahresende soll auf 42 Mitarbeiter aufgestockt werden. Die ersten Patienten sollen laut KAV nach einem mehrmonatigen Probebetrieb Ende 2018 im Spital behandelt werden können. Dieser müsste dann freilich komplikationsfrei verlaufen. (David Krutzler, 10.10.2017)