STANDARD: Sie haben mit der Band Bilderbuch die Videos "Bungalow" und "Baba" gedreht. Damit haben Sie einen ordentlichen Anteil am Image der Band!

Porodina: Ich würde sagen, dass wir als Künstlergruppe zusammengefunden haben. Was ich mit Bilderbuch mache, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem, was ich sonst tue – und umgekehrt: Da entstehen Synergieeffekte, da tritt eine Magie ein. Wir alle arbeiten interdisziplinär und verstehen uns als Künstler: Maurice Ernst und der Band geht es nicht nur um die Musik, sondern darum, was visuell, soundtechnisch, auf einer emotionalen Ebene anspricht, um ein Gesamtpaket also. In meinen Arbeiten ist das genauso. Da gibt es nicht nur die Oberfläche, sondern viele verschiedene Ebenen. Das ist unser gemeinsamer Nenner.

BILDERBUCH

STANDARD: Wie haben Sie sich kennengelernt?

Porodina: Vor zwei Jahren bei einem Shooting für das Magazin Musikexpress. Wir haben damals nur drei Stunden zusammen gearbeitet, kamen aber gut zusammen. Als es um das neue Album ging, hat Maurice mich angesprochen.

STANDARD: Und wer kam auf Idee, im Video Bungalow den Sänger Maurice Ernst mit bloßem Oberkörper mit einem Staubsauger tanzen zu lassen?

Porodina: Wir brainstormen und werfen uns Ideen wie Spielbälle zu. Ich hatte die Idee mit dem blauen, surrealen Raum und der Stripstange. Maurice hat dann vorgeschlagen, das mit dem Staubsauger zu brechen. Die Idee mit der Katze kam auch von ihm, das ist übrigens mein Kater Newton.

Maurice Ernst von Bilderbuch, gesehen von Elizaveta Porodina
Foto: Elizaveta Porodina

STANDARD: Ging es bei der Staubsaugerszene darum, mit Männerstereotypen zu brechen?

Porodina: Wie bei allem haben wir darüber viel geredet. Vieles passiert aber nicht nur auf der konzeptuellen, sondern auch auf emotionaler Ebene. Ich hatte das Gefühl, dass es sich befreiend und kathartisch anfühlen könnte, wenn Maurice sich an der Stange räkelt – weil es zum Text und zum Vibe passt. Es geht bei so einer Zusammenarbeit ja nicht darum, sich Beschränkungen aufzuerlegen, sondern Ideen umzusetzen, die gewagt erscheinen. Und dass ein Verständnis für neue Männerbilder oder für das, was möglich ist, eröffnet. Ich wurde als Frau nicht dazu erzogen, dem klassischen Frauenbild zu entsprechen: ich bin selbstständig und verdiene mein eigenes Geld. Wenn also die Frau das Geld verdienen soll, dann soll der Mann auch mal Sexobjekt sein dürfen…

STANDARD: …und den Staubsauger in die Hand nehmen!

Porodina: Ja, das kann er auch machen. Und das ist sexy!

Und noch einmal Maurice Ernst, etwas angezogener
Foto: Elizaveta Porodina

STANDARD: Über Maurice Ernst an der Stripstange wurde viel geredet. Gibt es etwa noch Tabus?

Porodina: Was damals geschrieben wurde, habe ich größtenteils nicht gelesen. Mir persönlich geht es nicht darum, gesellschaftliche Tabus aufzubrechen. Aber ich glaube, wenn ich das Bedürfnis habe, einen Mann an eine Stripstange zu stellen, dann könnte das auch dem Bedürfnis anderer Frauen entsprechen.

STANDARD: Das Setting zum Video "Baba" ist nahezu surreal, die Band wirkt, als bewege sie sich in einem Modesetting…

Porodina: Wie kommen Sie darauf? Meine Inspiration für dieses Shooting waren Filme von Ingmar Bergmann. Ich arbeite zwar viel im Bereich Mode, aber meine Arbeit bedient sich eher des Modegenres, um Geschichten zu erzählen. Mir ging es im Video "Baba" nicht darum, ein Modeshooting in bewegten Bildern zu zeigen, sondern eine Story zwischen Mann und Frau, zwischen zwei Individuen zu erzählen.

Musikvideo "Baba"
BILDERBUCH
Aus der Fotostrecke mit der Band Bilderbuch für den Musikexpress
Foto: Elizaveta Porodina

STANDARD: Was reizt Sie an dem Format Musikvideo?

Porodina: Mich interessiert das Musikvideo als Format dann, wenn ich das Gefühl habe, dass es das geeignetste Medium ist, eine Geschichte zu erzählen. Das kann aber genauso das Medium Fotografie oder auch Skulptur erfüllen. Meist arbeite ich als Fotografin, weil ich mit einer Momentaufnahme ein gewisses Gefühl festhalten kann. Ich würde mich aber jedes Mediums bedienen, auch Installationen oder Performances. Ich selbst habe auch schon in einer Band gespielt.

"Pool Time", 2017
Foto: Elizaveta Porodina

STANDARD: Daher der Musikbezug!

Porodina: Die Bilder, die ich mache, sind untrennbar mit Popkultur verbunden. So jemanden wie Andy Warhol und seine Factory halte ich in Ehren.

Lou in New York I, 2016
Foto: Elizaveta Porodina

STANDARD: Ihre Modefotografien scheinen einen romantischen Touch zu haben, sind Sie eine Romantikerin?

Porodina: Eine düstere Romantikerin! Wenn es mir in meinen Bildern gelingt, meiner Muse zu vermitteln, dass ich sie bewundere, dann war‘s gut. Die frühen Teller-Bilder, die übrigens sehr romantisch sind, die schätze ich sehr.

STANDARD: Sie arbeiten für diverse Auftraggeber. Unterscheiden Sie zwischen Auftragsfotografien und freien Arbeiten?

Porodina: Ich gehe an jedes Shooting mit Leidenschaft und Hingabe heran, wenn das nicht so wäre, würde ich mich verachten.

STANDARD: Sie haben auf Instagram rund 70.000 Follower. Was bedeutet der Kanal für Sie und Ihre Arbeiten?

Porodina: Ich profitiere natürlich von Instagram, viele internationalen Kontakte haben sich so ergeben: Dort tummeln sich viele Menschen aus dem Mode- und dem Kunstbereich. Ich glaube aber nicht ans E-Life. Ich versuche diese Verbindungen schnell ins reale Leben zu überführen. Ich habe außerdem wenige Konstanten in meinem Leben – außer meinem Mann. Ich habe nie Tagebuch geführt, ich bin häufig umgezogen in meinem Leben, in den letzten zwei Jahren war ich fast jeden Tag woanders. Einmal am Tag eine Erinnerung hochzuladen, ist für mich ein netter, etwas sentimentaler Gedanke. (Anne Feldkamp, 10.10.2017)


Die in München lebende Fotografin Elizaveta Porodina stellt derzeit in Wien aus.
Foto: Josef Beyer

Die Ausstellung "Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina" eröffnet am 10. Oktober um 19 Uhr und ist vom 11. Oktober bis zum 16. Dezember in der Galerie OstLicht, Absberggasse 27, 1100 Wien zu sehen.

Website Elizaveta Porodina

Galerie OstLicht