Die US-Botschaft in Ankara.

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Ankara/Athen – In einer streckenweise konfusen Rede hat der türkische Regierungschef Binali Yıldırım am Dienstag vor Abgeordneten und Funktionären der konservativ-islamischen AKP die Verhaftung eines Mitarbeiters des US-Konsulats in Istanbul gerechtfertigt und Klagen über die USA aneinandergereiht. Sie reichten von der Bewaffnung der Kurden in Syrien über die Festnahme eines türkischen Bankers in New York bis zur "emotionalen" Reaktion der USA auf die Verhaftung des langjährigen Konsulatsmitarbeiters.

Die US-Botschaft in Ankara gab am Sonntagabend einen Stopp der Visavergabe für Reisende bekannt. Die Angelegenheit müsse so bald wie möglich gelöst werden, erklärte Yıldırım. Er rief die USA zur Vernunft auf. "Die Türkei ist kein Stammesstaat, wir vergelten Gleiches mit Gleichem", sagte der Regierungschef.

Erdoğan betrübt

Staatspräsident Tayyip Erdoğan war am Dienstag in Serbien. Er hatte Sonntagnacht nach eigener Aussage eine identisch formulierte Erklärung an die Adresse der USA veröffentlichen lassen und ein vorläufiges Ende der Visaausstellung für US-Bürger in türkischen Vertretungen angekündigt. Erdoğan erklärte sich "betrübt" über das Verhalten der USA.

Die Rede seines Premiers am Dienstag spiegelte gleichwohl die Ratlosigkeit der politischen Führung angesichts der als weit unverhältnismäßig beurteilten Strafmaßnahme Washingtons wider. Eine Freilassung des türkischen Konsulatsmitarbeiters Metin Topuz schien ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zahlreiche Kontakte zu angeblichen Mitgliedern der Gülen-Bewegung, vor allem in der Polizei, in den Jahren vor dem Putsch vom 15. Juli 2016 vor.

US-Botschafter erklärt sich

John Bass, der scheidende US-Botschafter in Ankara – er ist für den Posten in Kabul nominiert –, stellte sich erneut hinter seinen Mitarbeiter. Mit türkischen Polizeibeamten zu sprechen und mit ihnen zu reisen gehöre zu den Aufgaben des Mitarbeiters, betonte Bass.

Die türkische Justiz hatte bereits im März einen Angehörigen des US-Konsulats in Adana festgenommen. Am Montag lud die Staatsanwaltschaft zudem einen weiteren türkischen Mitarbeiter im US-Generalkonsulat in Istanbul zur Einvernahme vor. Der Mann dürfte nun im Konsulatsgebäude Zuflucht gefunden haben; seine Frau und sein Sohn wurden an seiner Stelle festgenommen.

Türkische Kommentatoren bezeichneten die Krise mit Washington als beispiellos. Einige warnten, andere Staaten wie Kanada oder Deutschland könnten sich an ähnlich drastischen Maßnahmen gegen die Türkei beteiligen. Vor einem Strafgericht in Istanbul beginnt heute, Mittwoch, ein Verfahren gegen die deutsche Journalistin Mesale Tolu. Sie ist seit dem 30. April mit ihrem zweijährigen Sohn in Untersuchungshaft. (Markus Bernath, 10.10.2017)