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Die beiden Brexit-Verhandler David Davis (links) und Michel Barnier sind einander wieder nicht nähergekommen.

Foto: AP / Olivier Matthys

Am Ende der fünften Verhandlungsrunde über Großbritanniens EU-Austritt stand am Donnerstagmittag Ernüchterung. Wie zu Wochenbeginn vermutet, konnten der britische Brexit-Minister David Davis und EU-Chefverhandler Michel Barnier keine soliden Fortschritte vorweisen. Der von der EU in die Gespräche entsandte Franzose sprach mit Blick auf die Finanzverpflichtungen der Briten sogar von einer "verstörenden Blockade". Dass der Gipfel der verbleibenden 27er-Gemeinschaft kommende Woche den Weg zu den von London ersehnten Handelsgesprächen freimacht, gilt auf beiden Seiten des Kanals als unwahrscheinlich.

Davis drückte die Hoffnung aus, die EU werde Barniers Verhandlungsmandat wenigstens ein wenig lockern. Dies liege "im beiderseitigen Interesse". Insbesondere bei der Frage über die zukünftige Grenze zwischen der Republik Irland und dem britische Nordirland kann es, so die übereinstimmende Meinung vieler Experten in London, keinen Fortschritt geben, ohne dass wenigstens die Konturen der zukünftigen Handelsbeziehungen erkennbar sind.

EU-Ausländer aus Faustpfänder

Hingegen äußern sich selbst viele Befürworter des EU-Ausstiegs enttäuscht darüber, dass die konservative Minderheitsregierung noch immer die Rechte der gut drei Millionen auf der Insel lebenden EU-Bürger garantieren will. Zwar soll, wer fünf Jahre im Land gelebt hat, den Status der Sesshaftigkeit zuerkannt bekommen. Unklar bleibt aber, ob beispielsweise ein sesshafter Manager mit italienischem Pass, der von seiner britischen Firma für drei Jahre nach Südamerika geschickt wird, anschließend wieder in denselben Status auf die Insel zurückkehren kann.

Umstritten ist auch weiterhin, welche Gerichtsbarkeit über die Rechte der EU-Bürger wachen soll. Während Brüssel auf die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs pocht, wollen die Briten den britischen Gerichten eine "Berücksichtigung europäischer Gesetzgebung" nahelegen. Immerhin versprach Davis ein einfaches und kostengünstiges Verfahren für die Registrierung der EU-Bürger – da es in Großbritannien keine Einwohnermeldeämter gibt, war dies bisher nicht nötig.

Unklares Rechnungsverständnis

Blockiert bleibt die Diskussion übers liebe Geld. In ihrer Rede in Florenz hatte Premierministerin Theresa May im vergangenen Monat mitgeteilt, ihr Land werde seine "während der Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen einhalten". Offenbar pocht insbesondere Berlin darauf, die Briten sollten mitteilen, was genau damit gemeint ist. Hingegen will Davis genaue Zahlen oder wenigstens die Berechnungsgrundlage erst später vorlegen.

Keine Überraschung über diese Meinungsunterschiede, höchstens milde Enttäuschung – diese Einschätzung drückten die Währungshändler im Finanzzentrum City of London mit einer Abwertung des Pfundes um 0,5 Prozent aus. Noch herrscht die Hoffnung darauf, die von May angestrebte Übergangsphase von mindestens zwei Jahren könnte rechtzeitig vereinbart werden. Allerdings, glaubt Miles Celic vom Lobbyverband The City UK, müssten Ergebnisse bis Weihnachten vorliegen. "Sonst werden die Unternehmen ihre Notfallpläne in Gang setzen."

Besser kein Deal als ein schlechter

Noch in diesem Jahr, binnen zwei Monaten, hält auch Barnier "entscheidende Fortschritte" für möglich. Hingegen wird bei den Briten, geschürt von den EU-feindlichen Medien, zunehmend die Möglichkeit diskutiert, die Insel könne im März 2019 ohne jede Vereinbarung aus Binnenmarkt und Zollunion taumeln.

Diese "No Deal" genannte Option sei allemal besser als ein schlechter Vertrag, glauben 74 Prozent der Briten einer Umfrage zufolge, die vom TV-Sender Sky News (Hauptaktionär: EU-Gegner Rupert Murdoch) in Auftrag gegeben wurde. Barnier brachte das Brüsseler Kopfschütteln über solcherlei Gerede zum Ausdruck: "'No Deal' wäre ein ganz schlechter Deal." (Sebastian Borger aus London, 12.10.2017)