Sebastian Kurz ist der Sieger der Nationalratswahl 2017, Österreich ist wieder ein Stück weiter nach rechts gerückt. Beide Ergebnisse können nicht wirklich überraschen.

Kurz hat einen nahezu fehlerlosen Marathon-Wahlkampf hingelegt. Es gab keine nennenswerten Schnitzer – aber auch keine nennenswerten inhaltlichen Ecken und Kanten, an denen er hätte hängenbleiben können. Auch die FPÖ hat keine groben Fehler gemacht, sie musste sich nicht einmal besonders hart gegen Asylwerber positionieren. Diesen Part hat ihr die ÖVP freundlich abgenommen, und Heinz-Christian Strache konnte seinen anfänglichen Nachteil gegenüber den anderen Spitzenkandidaten ("wird auch nicht jünger") zum Vorteil drehen und den "elder statesman" geben. Ganz so, als wären der FPÖ Schmutzkübelkampagnen wesensfremd. Immer wieder aufstoßende braune Rülpser von "einzelnen" blauen Funktionären wischte der FPÖ-Spitzenmann routiniert vom Tisch, und Medien und Öffentlichkeit ließen es ihm weitgehend durchgehen – man pflegte andere Aufgeregtheiten.

Schwarz-Blau ist nicht nur leicht möglich, sondern, gemessen an dem hasserfüllten Wahlkampf, den Rot und Schwarz gegeneinander geführt haben, wahrscheinlich. Eine schwarz-blaue Verfassungsmehrheit wurde zwar verpasst, doch allzu weit weg ist sie nicht. Das ist die alarmierendste aller Nachrichten an diesem Wahlsonntag. Tiefgreifende Verfassungsänderungen sind plötzlich möglich, wenn man die Sympathien der FPÖ und auch von Sebastian Kurz für Viktor Orbán und dessen Politik kennt. Strache hat auch bereits angekündigt, eine größere Nähe zu jenen EU-Mitgliedsstaaten im Osten anzustreben, die zumindest nicht durch besondere Solidarität innerhalb der EU aufgefallen sind.

Das Siechtum des Juniorpartners

Denkt man an die ÖVP vor einem Jahr, ist Kurz' Sieg geradezu sensationell: Damals dümpelte die Volkspartei bei knapp 20 Prozent dahin, das Siechtum des Juniorpartners in der rot-schwarzen Koalition erschien lang, schmerzhaft und am Ende letal. Kurz hat geschafft, viele Menschen in und außerhalb seiner Partei davon zu überzeugen, dass er für "Veränderung" steht. Über weite Strecken des Wahlkampfs ist es Kurz gelungen, aus Parteifunktionären türkise Jünger zu machen, und er hat den Nerv vieler Menschen getroffen.

Die SPÖ ist mit zwei türkis-blauen Augen davongekommen. Es bedurfte offenbar erst der beispiellosen Schmutzkübelaffäre rund um den Berater Tal Silberstein, ehe SPÖ-Chef und Nochkanzler Christian Kern alle eingebildeten und eingeredeten Berater abschüttelte und im Wahlkampffinale wieder bei sich war. Das hat das Schlimmste noch verhindert, aber das devastierte Innenleben der einst so starken Sozialdemokratie wurde nach außen gekehrt, die Probleme liegen offen im Scheinwerferlicht da. Dies zu ignorieren und weiterzumachen wie bisher wäre politischer Selbstmord.

Thematisch blieb noch das euphorische Bekenntnis von Neos-Chef Matthias Strolz zur Bildung in Erinnerung (Stichwort: "Jugend soll ihre Flügel spreizen"). Das haben die Wähler ebenso belohnt, wie sie die Grünen für deren Streitereien abgestraft haben.

Am meisten verloren haben in dieser Wahl der politische Anstand und das Vertrauen vieler Menschen in die Politik. Dass der Bundespräsident bemerkte, auch in den 1960er-Jahren habe es unschöne Wahlkämpfe gegeben, macht die Sache keineswegs besser. Mit ein bisserl Beruhigung wird es nicht getan sein. (Petra Stuiber, 15.10.2017)