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In Deutschland darf bereits seit 1.10. geheiratet werden.

Foto: dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

Wien – Als Eltern sind Lesben und Schwule heutzutage in Österreich den Heterosexuellen fast völlig gleichgestellt, das Recht hat sich hier in den vergangenen Jahren rasch entwickelt. Seit Anfang 2016 dürfen Homosexuelle Kinder adoptieren, und zwar auch gemeinsam; seit 2015 dürfen sie die zugelassenen Methoden der Fortpflanzungsmedizin nutzen. Auch Pflegekinder können sie aufnehmen, seit Niederösterreich hier als letztes Bundesland seine Ablehnung aufgegeben hat.

Also wachsen im Land inzwischen etliche Kinder bei zwei Müttern oder zwei Vätern auf – jedoch mit einer grundlegenden rechtlichen Benachteiligung. Sie gelten als unehelich, auch wenn ihre gleichgeschlechtlichen Eltern eine eingetragene Partnerschaft eingegangen, also miteinander verpartnert, sind. Denn die bürgerliche Ehe ist Homosexuellen nach wie vor verschlossen.

Kinder als Argument

Diese Kinder bekämen "vermittelt, dass ihre Familie nicht gleichwertig mit Familien mit verschiedengeschlechtlichen Elternteilen sei", das begründe "ein Anderssein": Soweit eine zentrale Argumentation des Wiener Rechtsanwalts Helmut Graupner im Fall eines lesbischen Paares mit Kind, die beim Verfassungsgerichtshof Bedenken weckt, das Eheverbot für Lesben und Schwule sei diskriminierend.

In der Herbstsession haben die Höchstrichter am 12. Oktober daher beschlossen, den seit 1811 im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Passus amtswegig zu prüfen, laut dem "zwey Personen verschiedenen Geschlechts" einen Ehevertrag eingehen.

"Ungleiche" Regelungen

Gleichzeitig wollen sie das seit 2009 nur für homosexuelle Paare geltende Eingetragene-Partnerschafts-Gesetz (EPG) unter die Lupe nehmen. Seit dessen Einführung sei es rechtlich schrittweise zu einer "weitgehenden Angleichung von Ehe und eingetragener Partnerschaft gekommen", sodass nunmehr Vergleichbares – hetero- und homosexuelle Paarbeziehungen – ungleich geregelt sei.

Im Fall der Eheöffnung für Homosexuelle schlagen die Höchstrichter vor, das EPG ganz aufzuheben. Das sei dann "wohl der geringere Eingriff in die Rechtslage zur Beseitigung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit", schreiben sie. In diesem Fall würden die bisher geschlossenen Verpartnerungen wohl weiter gelten, vermutet Anwalt Graupner.

Spruch laut Anwalt "vielleicht schon im Dezember"

Österreich sei "weltweit der einzige Staat, in dem es volle Elternrechte für Lesben und Schwule, aber keine Ehe für alle gibt", erläutert Graupner. Er rechnet mit einem Spruch "vielleicht schon im Dezember". Ein VfGH-Sprecher nannte "die nächsten Sessionen" als Zeitrahmen. SPÖ, Neos und Grüne reagierten auf den Prüfbeschluss mit Freude, von ÖVP und FPÖ kam bis Redaktionsschluss hingegen kein Kommentar. (Irene Brickner, 18.10.2017)