Lunacek und Felipe treten als Doppelspitze ab – und ziehen die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis unter vier Prozent.

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Angesichts des Wahldebakels trat am Dienstagnachmittag der grüne Bundesvorstand in der Wiener Innenstadt zusammen, um über "Personelles" zu beraten. Schon während der Sitzung bestätigten sich längst kursierende Gerüchte – nämlich dass Ingrid Felipe ihre Funktion als Bundessprecherin aufgibt. Dass sich Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek zurückzieht – auch als EU-Abgeordnete. Und dass Vizechef Werner Kogler die Führung übernimmt.

Doch erst am Abend trat die bisher weibliche Doppelspitze vor die Presse. "Wir sitzen da, übernehmen Verantwortung dafür, dass die Mission nicht gelungen ist, die Grünen zumindest im Nationalrat zu halten", sagte Felipe. Wie schon zuvor vom Nochabgeordneten Georg Willi, nun Spitzenkandidat bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl, öffentlich gefordert, will sich die Vizelandeshauptfrau nach dem Desaster im Bund ab sofort auf Tirol konzentrieren, wo Ende Februar Landtagswahlen stattfinden. So begründete Felipe auch ihren Rückzug: Sie wolle sich "mit voller Kraft" in ihrem Heimatbundesland einsetzen, damit es wieder zu Schwarz-Grün komme.

Pressekonferenz der Grünen zum Ausscheiden aus dem Parlament.
DER STANDARD

Zur Gänze will sich Frontfrau Lunacek aus der Politik zurückziehen, die mit dem Aus für die Parlamentsfraktion "die schlimmste Krise" seit Gründung der Grünen eingestand. "Ich lege auch meine Funktionen im Bundesvorstand zurück und lege eine Pause ein", sagte Lunacek. Es brauche einen Neustart. Ihr EU-Mandat wird Thomas Waitz, Vertreter der grünen Bauern, übernehmen.

Felipe wie Lunacek sind überzeugt davon, dass der Wiedereinzug in das Parlament bei der nächsten Nationalratswahl wieder gelingt. "Wir sind zurückgestutzt worden, aber unsere Wurzeln sind stark – auf dass wir wieder blühen und gedeihen!", sagte Felipe.

Am Freitag geht's ums Geld

Nicht anwesend war Werner Kogler, der die Führung vorerst interimistisch übernimmt – am Freitag soll diese Personalrochade von den Ländervertretern abgesegnet werden. Und nicht nur das: Auch die fünf Millionen an Schulden werden bei der nächsten Krisensitzung auf der Agenda stehen.

Die Grünen sind nicht nur wegen des Wahlkampfes, sondern auch seit dem Hofburgrennen vom Vorjahr im Minus. Dazu verliert die Partei mit dem Ende als Nationalratspartei nach 31 Jahren 8,9 Millionen Euro an Subventionen – und zwar Parteien-, Klub- und Akademieförderung. Eine geringe Zuwendung für die Bundesrats- und EU-Abgeordneten bleibt der Partei aber. Die meisten Länder haben sich zwar finanziell solidarisch erklärt, doch rechtlich gilt diese Option als noch nicht abgeklärt.

Mit Auszählung aller Wahlkarten am Donnerstag steht bald der Auszug von 21 grünen Mandataren aus dem Hohen Haus an. Schon am Montag hat Klubchef Albert Steinhauser intern mitgeteilt, dass bis zu 110 Mitarbeiter beim AMS angemeldet werden – rund 90 sollen im Klub betroffen sein, der Rest arbeitet bei der Bundespartei. Eine davon ist Doris Schmidauer, die Frau von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Sie war Geschäftsführerin des Grünen Parlamentsklub. Bis 8. November – also einen Tag, bevor sich der neue Nationalrat konstituiert – sollen die Dienstverhältnisse angeblich noch aufrecht bleiben. Dazu müssten auch die Klubräume in der Löwelstraße bald geräumt werden – "das betrifft vier Stockwerke", so ein Mitarbeiter.

Ob die Liste von Peter Pilz zumindest einige Mitarbeiter seines alten Klubs übernehmen wird, ist noch offen, denn: "Wir sind noch gar nicht so weit, die Planungen beginnen erst", sagte Pilz zum STANDARD. Noch wisse er selbst gar nicht, wie groß der Stab für seine Liste sein werde. Klar sei aber: "Alle Posten werden ausgeschrieben. Wir werden uns die besten Leute auf offene Art suchen." Bei den Grünen gebe es natürlich "exzellente Leute", aber: "Bei uns geht es um einen Neubeginn und nicht um eine grüne Übernahme."

Wie soll es mit den Grünen weitergehen? Runder Tisch am Dienstagabend mit Maria Vassilakou, Andreas Wabl, Petra Stuiber vom STANDARD und Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.
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Anschobers Abrechnung

Mit einer Abrechnung meldete sich am Dienstag auch Rudi Anschober, grüner Landesrat in Oberösterreich, zu Wort: "Das Ergebnis ist eigenverschuldet", lautete sein Befund. Einen "Riesenfehler" machte er in der Schlussphase des Wahlkampfs aus: "Als klar war, dass es knapp werden könnte und wir in den Umfragen schlecht lagen, hätte man die Sache dramatisch zuspitzen und den Wählern deutlich vermitteln müssen, dass es um 'Sein oder Nichtsein' geht."

Vorarlberger Landessprecher und Umweltlandesrat Johannes Rauch wiederum sprach von einer "Katastrophe", die einen "längst fälligen Reformprozess" einleiten könnte. Der Vorarlberger ist jetzt für einen radikalen Schnitt: Alle Gremien auf Bundesebene müssten abgeschafft werden, die Neugründung der Partei müsse von den Ländern ausgehen. Seine Losung lautet: "Wir in den Ländern werden die Weichen stellen und Verantwortung übernehmen."

Die Wiener Landeschefin Maria Vassilakou erklärte Dienstagabend bei der ORF-Diskussion Runder Tisch, es sei selbstverständlich, dass Werner Kogler die Parteispitze übernimmt. Sie werde ihn dabei unterstüzen, so wie sich alle Landesparteiorganisationen einbringen müssen. "Auch ich muss mir anschauen, welche Fehler ich gemacht habe", sagte die Vizebürgermeisterin. (jub, mro, nw, pm, 17.10.2017)