Laut Anzeige ist es bemerkenswert, bei 14 Grad Schal zu tragen.

Wien – Durch eine 28-jährige Psychologin der Uni Wien könnte das Antigesichtsverhüllungsgesetz, mit dem man ein so genanntes Burkaverbot exekutieren will, zum Kippen gebracht werden. Das glaubt jedenfalls Georg Zanger, der Rechtsanwalt von Nora Maria Foerst. Sie war von Polizeibeamten aufgehalten und nach ihrem Ausweis gefragt worden. Warum, wusste sie anfangs gar nicht, sagt Foerst im STANDARD-Gespräch, "die Situation kam mir konfus und intransparent vor, eigentlich kafkaesk". Man habe dann zwar ihre Vermummung angesprochen, doch bis zuletzt wusste sie nicht, dass sie deswegen angezeigt werde.

Zunächst hätten die Beamten sie aufgefordert, sich auszuweisen. "Das habe ich auch gemacht, aber gefragt, weswegen das verlangt werde". Dann sprachen die Polizisten das Thema Vermummung an und sagten "irgendetwas von Drogenhotspot". Foerst habe daraufhin angeboten, sich kontrollieren zu lassen. Die Psychologin sagt, sie habe ihren Schal einfach um den Hals getragen, wenn sie auf ihr Handy blickte, verschwand dabei ein Teil des Gesichts, sah sie geradeaus, war alles sichtbar.

Wollschal und Selfie

In der Anzeige der Polizei heißt es, die Frau habe "einen Wollschal um das Gesicht gewickelt" getragen. Mit einem Handy habe sie ein Selfie gemacht. Um die absurde Situation zu dokumentieren, sagt Foerst. Dass sie gesagt habe, sie finde das Gesetz lächerlich, wie in der Anzeige festgehalten, bestreitet sie aber.

Für Zanger, der bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen will, ist der Fall "besonders geeignet, das Gesetz zu kippen, weil er so viele Facetten hat". Erstens habe ihr Schal "nicht ihr volles Gesicht verhüllt", zweitens habe man der Frau, nachdem sie sich mit ihrem deutschen Reisepass ausgewiesen hatte, gleich vorgeworfen, sich nicht in Österreich gemeldet zu haben, was nicht stimme. Zanger wundert auch eine Passage in der Anzeige, wonach die Identitätsfeststellung "als gelinderes Mittel zur Festnahme durchgeführt" wurde, denn eine Festnahme sieht das besagte Gesetz nicht vor, nur eine Geldstrafe von bis zu 150 Euro.

"Allgemeiner Festnahmegrund"

Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, erklärt auf Nachfrage, er kommentiere den Fall nicht, als allgemeine Rechtsauskunft gelte aber: "Festnahmebestimmungen richten sich nach dem allgemeinen Verwaltungsstrafrecht. Identitätsmangel nach einer Verwaltungsübertretung kann ein allgemeiner Festnahmegrund sein."

Foerst, die sagt, sie habe sofort den Pass gezeigt, betont noch einen anderen Aspekt: "Männer haben sich ein Gesetz ausgedacht, das angeblich zum Schutz von Frauen sein sollte. Doch ich fühlte mich in der Situation ohnmächtig und ausgeliefert." (Colette M. Schmidt, 18.10.2017)