Schaffte es "Zurück ins Parlament": die FDP in Deutschland.

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Eines vorweg: Es ist schlimm für Österreich, für die demokratische Vielfalt, für das Miteinander, den Anstand und Umgang im Parlament, dass es die Grünen nicht geschafft haben. Natürlich auch schade um das fachliche Wissen und die stets kompetente, ehrliche und leidenschaftliche Oppositionsarbeit. Wer hätte gedacht, dass es nicht einmal mehr für eine Basis von vier Prozent der Wähler reichen würde? Warum hat man nicht rechtzeitig aufgeschrien und auf die Möglichkeit, dass das Unglaubliche passieren kann, hingewiesen? Wie kann man so verblendet sein, dass man sich dieser Gefahr nicht bewusst ist beziehungsweise sie nicht bewusst macht.

Fehler gemacht wie eine Altpartei

Gerade diese Verblendung, verbunden mit einer gewissen Arroganz, hat zu dieser Katastrophe geführt. Eigen- und Fremdbild sind immer weiter auseinandergedriftet, und um Letzteres hat man sich scheinbar nicht mehr wirklich gekümmert – oder es nicht ernst genommen. All die Fehler, die man jahrelang den sogenannten Altparteien vorgeworfen hat – sie seien zerstrittene Haufen, von ihren Interessengemeinschaften gesteuert, sie hätten keine Nachwuchsförderung, keine Streit- und Lösungskompetenz, keinen Zusammenhalt, kein Gespür für die wichtigen Fragen und Ängste der Menschen, für die richtigen Antworten –, haben die Grünen längst selbst begangen.

Dazu kommt das Unvermögen, falsche Entscheidungen zu revidieren. Sie sind im Vergleich zu den "Alten" richtig alt geworden und geben nach außen hin längst ein noch viel starreres, zerstritteneres Bild ab. In den vergangenen Monaten dann auch noch das Bild vollkommener Führungslosigkeit: Jeder darf machen, was ihm Spaß macht. Wie das Ganze in einen Gesamtkontext passt – egal.

Wie kann man es zulassen, vor einer so wichtigen Wahl die wichtigsten Exponenten gehen zu lassen? Wie kann man es zulassen, eine offensichtlich an Bundespolitik wenig interessierte und unerfahrene Parteichefin zu engagieren und eine Spitzenkandidatin, die eine engagierte Europapolitikerin war, aber bundespolitisch einfach zu lange weg war und zudem noch, ungefragt, mit Meldungen aufhorchen ließ, sie habe taktisch gegen einen Beitritt zur EU gestimmt? Wie kann man sich zu einer Werbekampagne hinreißen lassen, die mit Slogans wie "Sei ein Mann, wähle eine Frau" arbeitet. Thematisch ärmer geht's wohl kaum.

Konfuse Entscheidungsfindung

Wie kann es sein, dass die Wiener Landeschefin einem Bauprojekt zustimmt, es von der Basis abgeschossen wird, um dann im Gemeinderat unter anderem von der grünen Fraktion wieder beschlossen zu werden? Wie kann es sein, dass die gleiche Wiener Landeschefin beschließt, eine der größten Einkaufsstraßen zur Fußgängerzone umzugestalten, die Auswirkungen den Betroffenen so gut wie nicht erklärt, dann aber doch im Hochsommer die Wiener darüber abstimmen lässt? Selbst der – leider nicht mehr – Bezirkschef des siebenten Bezirks war darüber sehr verwundert.

Dabei geht es nicht um die Qualität der Projekte, sondern einzig und allein um die vollkommene Konfusion in der Entscheidungsfindung. Deshalb ist es übrigens völlig falsch, dass sich diese Landeschefin jetzt bundespolitisch noch stärker engagieren und den Neuanfang mitgestalten will. War ihr Wiener Stimmenbeitrag so berauschend, dass ihr diese Rolle zusteht?

Vorbild FDP

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass nach einem längeren Moratorium eine Rückkehr möglich ist. Die FDP, deren Chef unermüdlich für dieses Ziel "Zurück ins Parlament" gearbeitet hat, hat bei der Bundestagswahl 10,7 Prozent erreicht, nachdem sie 2013 mit 4,8 Prozent an der Sperrklausel gescheitert war. Ein paar Tipps sollte man sich bei Christian Lindner holen. Es ist eine hervorragende "Case Study", da spielt die politische Gesinnung eine eher untergeordnete Rolle. Ich wünsche mir die Grünen wieder zurück ins Parlament. Wir brauchen sie, und ich wähle sie auch wieder, die runderneuerten Grünen. (Philip List, 19.10.2017)