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Amazon stößt mit seiner Zentrale in Seattle (Washington) an seine Grenzen.

Foto: AP / Elaine Thompson

Amazon sucht nach einer "prime location" für seine neue Nordamerika-Zentrale. Am Donnerstag endet die Bewerbungsfrist. Dutzende Städte in den gesamten USA buhlen um das lukrative Großprojekt, teils mit ungewöhlichen Lockmitteln.

Viel Zeit zur Vorbereitung blieb den Lokalpolitikern nicht. Am 7. September hatte Amazon-Chef Jeff Bezos das "HQ2" getaufte Projekt angekündigt. Demnach plant Amazon Investitionen von fünf Milliarden Dollar (4,2 Milliarden Euro) über einen längeren Zeitraum. Noch wichtiger, 50.000 "gutbezahlte" Arbeitsplätze soll die neue Zentrale bringen.

Anreize gesucht

Der zwölftgrößte US-Konzern lässt sich seine Gunst teuer abkaufen. Zwar sei für die Standortwahl das Potenzial, Talente anzuziehen, wichtig, aber sogenannte Anreizpakete (incentive packages) würden eine Schlüsselrolle bei der Auswahl spielen. Gemeint sind mitunter Steuerbegünstigungen und ähnliches Entgegenkommen für den Konzern.

Der Steuerwettbewerb unter US-Staaten und Gemeinden hat sich für Amazon in der Vergangenheit bereits deutlich rentiert. Über 1,2 Milliarden Dollar (rund eine Milliarde Euro) an Vergünstigungen hat der Online-Riese von Lokalregierungen in der Vergangenheit lukriert, wie das "Washington Business Journal" berechnete.

Beispielsweise hatte der südliche Bundesstaat Texas Amazon eine Steuerrechnung von knapp 270 Millionen Dollar (230 Millionen Euro) erlassen, nachdem das Unternehmen versprochen hatte, 200 Millionen Dollar (170 Millionen Euro) in neue Anlagen mit 2.500 Arbeitsplätzen vor Ort zu investieren.

Sieben Milliarden aus New Jersey

Zu den Favoriten zählt der Großraum der Hauptstadt Washington, D.C. im Bundesstaat Maryland. Nicht nur hat Bezos eine enge Beziehung zu dem Bundesstaat – ihm gehören Häuser in der Region und die Tageszeitung "Washington Post". Amazon hat seine Web Services bereits in der benachbarten Gemeinde Fairfax eingemietet und dafür 50 Millionen an Steuererleichterungen kassiert.

Doch für die zweite Zentrale hat der Bieterwettbewerb neue Dimensionen erreicht. New Jersey bietet dem Online-Händler Steuererleichterungen in Höhe von sieben Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro), wenn HQ2 an die Ostküste kommt.

Das kann sich nicht jeder leisten. Städte wie Chicago und Denver werben dafür mit den gut ausgebildeten Tech-Absolventen aus der Region. Letzteres entwickelt sich zum attraktiven Tech-Hub, ohne die abschreckenden Mieten der kalifornischen Westküste.

Kakteen und Müsli

Um hervorzustechen, haben sich manche Gemeinden etwas eigentümliche Bewerbungen einfallen lassen. Aus Tucson, Arizona erhielt Amazon einen über sechs Meter hohen Saguaro-Kaktus. Im Gegensatz zu Steuererleichterungen musste das Unternehmen diesen mit dem Verweis ablehnen, dass man keine Geschenke annehmen könne. Der Kaktus wurde einer lokalen Sukkulentensammlung gespendet.

Ein sechs Meter hoher Kaktus aus Arizona sollte Amazon symbolisieren, dass der Bundesstaat Raum für Wachstum biete.
Foto: APA / AFP / Pedro Pardo

Der Stadtrat von Stonecrast in Georgia hatte angeboten eine 350 Hektar große Fläche auszugemeinden, und eine neue Stadt namens "Amazon" zu gründen. Als Vorort von Atlanta stehen die Chancen für die Gemeinde gar nicht so schlecht.

Sly James, Bürgermeister von Kansas City, schrieb Rezensionen für 1.000 Produkte von der Online-Plattform, vom Glockenspiel über ein ballaststoffreiches Müsli bis zum BH. Alles erhielt übrigens fünf Sterne.

Mitnahmeeffekt

Beobachter befürchten, dass sich Amazon eine klare Entscheidung versüßen lässt. "Das Risiko besteht, dass jemand zu viel ausgibt, um Amazon für etwas zu bezahlen, was sie ohnehin getan hätten", sagt Greg LeRoy, Chef der NGO Good Jobs First, der Washingtoner Zeitung "The Hill".

Seattle ist dem weltweit größten Online-Händler nicht zu windig geworden. Der jetzige Konzernsitz bleibt erhalten. Dort füllt Amazon inzwischen 33 Gebäude mit mehr als 40.000 Mitarbeitern. Künftig sollen Manager selber entscheiden, wie sie ihre Mitarbeiter auf die beiden Standorte verteilen.

Weltweit beschäftigt der Online-Händler rund 380.000 Menschen. (slp, 19.10.2017)