Aus der ÖVP heißt es: keine Koalition mit Kern als SPÖ-Chef, anders wäre das, würde Doskozil oder ein anderer die Führung übernehmen.

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Nicht mit Christian Kern, heißt es aus der ÖVP. Ernsthafte Gespräche über eine Koalition seien mit dem SPÖ-Chef weder sinnvoll noch angebracht. Zu tief seien die aufgerissenen Gräben, die Abneigung von Kern gegen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz sei zu offensichtlich. Anders würde es aussehen, wenn die SPÖ ihren Chef austauscht und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die Führung übernehme. Es müsse aber nicht Doskozil sein, es sei auch jeder andere recht. Nur nicht Kern.

Mit solchen Botschaften versucht die ÖVP derzeit, den bereits in der SPÖ sitzenden Keil noch tiefer zu treiben. Denn die verschiedenen Fraktionen bei den Roten sind uneins darüber, ob eine Koalition mit der ÖVP möglich wäre, ob man besser einen Regierungspakt mit der FPÖ anstreben möge oder ob der Gang in die Opposition unausweichlich ist.

In der ÖVP dagegen ist die Stimmungslage klar: Es bleibt nur Türkis-Blau. Kurz werde daher, sobald er am Freitag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Regierungsbildung hat, zwar mit allen reden, ernsthafte Verhandlungen werde es aber nur mit den Freiheitlichen geben. In den Parteiprogrammen liege man nicht so weit auseinander, auch das Innenministerium als blaue Koalitionsbedingung könne man akzeptieren, wenn auch unter Schmerzen.

Keine Geheimverhandlungen

Am Donnerstag bestätigte man in Kurz' Büro zwar erste informelle Gespräche, dass der ÖVP-Chef laut Kurier mit Heinz-Christian Strache aber schon zur Wochenmitte drei Stunden lang in der Wohnung des FPÖ-Chefs in Klosterneuburg konferiert habe, wies man zurück. Strache berichtete von einem ersten Vier-Augen-Gespräch. Es habe sich um ein "privates" Treffen gehandelt. Man sei sich "menschlich nähergekommen", sagte er zu oe24.tv.

Aus der Umgebung von Noch-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern wiederum heißt es, dass es für ihn nur Rot-Blau oder die Rolle des Oppositionsführers gebe. Für Kern sei klar, dass er persönlich nicht den Juniorpartner für Kurz' ÖVP mache – das sei für ihn nach all den Streitereien im Wahlkampf und davor nicht darstellbar.

Weil in der SPÖ derzeit gleich drei Lager in unterschiedliche Richtungen ziehen – vor allem von der Sozialpartnerschaft geprägte Sozialdemokraten präferieren Schwarz-Rot –, gilt keineswegs als gesichert, wie lange sich Kern an der Parteispitze halten kann. Ein SPÖ-Mann gibt unumwunden zu: "Derzeit kann man für nichts die Hand ins Feuer legen." Die verschiedenen Fraktionen würden teils verdeckt agieren, daher sei "die Lage total unübersichtlich".

Ein roter Grande berichtet wiederum, dass Kern derzeit auf Michael Häupl "grantig" sei – weil der Wiener Bürgermeister trotz roten Gremienbeschlusses zu Wochenbeginn, entlang des erstellten Wertekompasses Koalitionsgespräche mit allen Parteien zu führen, offen vor einer Parteispaltung bei Rot-Blau warnt. ÖGB-Chef Erich Foglar machte in der "ZiB 2" wiederum klar, dass er den Parteitagsbeschluss, der eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, für nicht sinnvoll hält.

Weder Zurufe von links noch von rechts

Dass Kern parteiinterne Zurufe von links wie rechts ignorieren wolle, verübeln ihm die Wiener – weil Häupl "23 Jahre in der Spitzenpolitik hinter sich hat und der andere 17 Monate". Dazu komme, dass die SPÖ in Wien, wo man am Wahlsonntag den ersten Platz verteidigen konnte, von vielen gewählt wurde, um Schwarz-Blau und eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern. Wenn es zu Rot-Blau komme, sei die Partei bald "garantiert hin", lautet die Befürchtung. Anders als die Burgenländer unter Hans Niessl, der 2015 einen Pakt mit den Blauen in Eisenstadt schloss, dürfe aus Sicht der Wiener gar nicht der Eindruck entstehen, dass Kern nach einer Koalition mit Strache strebe. Doch selbst vor engagierten Gesprächen mit der ÖVP wird gewarnt: Sonst könne es passieren, dass "wir wie bei Wolfgang Schüssel von Kurz am Ende gedemütigt werden – und wir stehen mit heruntergelassenen Hosen da".

Daher plädiert man in Häupls Reich jetzt für ein striktes Vorgehen, wie es der Bundespräsident vorgibt: Erst in Gespräche mit Kurz eintreten, wenn der mit der Regierungsbildung Beauftragte die SPÖ überhaupt an den Tisch lädt. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 19.10.2017)