Austin – Im NASA-Kontrollzentrum von Houston erfüllte sich für Lewis Hamilton der nächste Kindheitstraum. Staunend wie ein Volksschüler beim Ausflug kletterte der sonst so coole Formel-1-Superstar ins Mondfahrzeug und posierte mit einem goldenen Raumfahrer-Helm. "Der Weltraum hat mich schon immer interessiert, ich hatte eine Million Fragen", schwärmte Hamilton nach seiner Ankunft im Fahrerlager von Austin.

Auf dem Circuit of the Americas greift Hamilton am Sonntag gleich wieder nach den Sternen. Schon im viertletzten Saisonlauf kann er zum vierten Mal Weltmeister werden. Bei 59 Punkten Vorsprung auf den zuletzt glücklosen Sebastian Vettel ist Hamiltons Mission fast erledigt, auch wenn der Brite beteuert: "Ich gehe in dieses Rennen genauso wie in das letzte." Hamilton will diesen Triumph mit jeder Faser, er hat die jüngste Ferrari-Krise knallhart genutzt. "Es war beeindruckend, ihm dabei zuzusehen, wie er alles aus dem Auto herausholte und mit dem Team zusammenarbeitete, um Probleme zu lösen und sich noch weiter zu steigern", lobte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Suche nach dem perfekten Moment

Die Suche nach dem perfekten Moment auf und abseits der Strecke treibt den 32-jährigen Hamilton immer weiter an. Anders als bei seinem ersten Formel-1-Arbeitgeber McLaren, wo er sich zuletzt eingeengt und unverstanden fühlte, gewährt ihm Mercedes viele Freiheiten für sein rastloses Streben nach Glück. "Er gibt keine Ruhe. Er ist nie zufrieden damit, wo er als Rennfahrer und als Mensch gerade steht. Er will sich verbessern, sich entwickeln, das spüren wir auch im Team", beschrieb Wolff das Phänomen Hamilton.

Nach dem vergifteten Teamduell mit Nico Rosberg und einigen Kennenlern-Problemen mit dem neuen Silberpfeil trägt Hamilton inzwischen wieder ein Selbstbewusstsein zur Schau, das kaum noch Zweifel an seinem nächsten Titelgewinn lässt. "Ich bin viel mehr als nur ein Rennfahrer, viele tolle Dinge entwickeln sich in meinem Leben. Und deshalb komme ich zu den Rennen mit einem Überfluss an Zuversicht", erklärte Hamilton sein konstantes Formhoch seit dem Sommer mit vier Siegen in den vergangenen fünf Grand Prix.

Dass Hauptrivale Vettel mit seinem Startunfall in Singapur und dem Technik-Pech in Malaysia und Japan unfreiwillig den Weg bereitet hat, schmälert aus Sicht des WM-Führenden seine Leistung überhaupt nicht. "Wenn ich diesen Titel gewinne, dann habe ich ihn mir verdient", sagte Hamilton.

Auf einer Stufe mit Prost und Vettel

Mit vier WM-Triumphen würde er zum Franzosen Alain Prost und eben zu Vettel aufschließen. Dies hatte Hamilton schon mehrfach als einen wichtigen Antrieb genannt. Nur der siebenfache Weltmeister Michael Schumacher und Motorsport-Ikone Juan Manuel Fangio mit fünf Titeln wären dann in der ewigen Bestenliste noch vor dem Mann aus der mittelenglischen Kleinstadt Stevenage. "Mir ist es egal, wann es in den letzten vier Rennen passiert, Hauptsache es passiert", sagte Hamilton, der auf eine letzte Ferrari-Attacke gefasst ist.

Genau das kündigt auch Sebastian Vettel an: "Hier sagt man: Es ist nicht vorbei, bis die dicke Dame singt. Wir müssen also dafür sorgen, dass sie noch eine Weile schweigt." Doch Hamilton ausgerechnet in Austin zu stoppen, hat sich bisher als fast unmöglich erwiesen. Bei vier der bisherigen fünf Rennen in Texas fuhr der Brite als Erster ins Ziel. Gelingt ihm das am Sonntag (21.00 Uhr/ORF eins, RTL und Sky) erneut, muss Vettel mindestens Fünfter werden, um die Titel-Entscheidung vorerst bis Mexiko in einer Woche zu vertagen.

Hamilton indes ist es egal, wo seine große Weltmeister-Party steigt. In Austin sicherte er sich vor zwei Jahren Titel Nummer drei. Aber auch einer Fiesta in Mexiko kann Hamilton einiges abgewinnen, wie er verriet: "Die Mexikaner wissen, wie man feiert. Wenn es da so weit ist, dann bekomme ich hoffentlich einen Sombrero und bin bei einer dieser Partys dabei." (APA; 20.10.2017)