Düringer geißelt in "Der Kanzler" ein System des Machterhalts um jeden Preis.

Foto: Lukas Beck

Wien – 48.000 Stimmen, etwa ein Prozent, konnte Roland Düringer bei der geschlagenen Nationalratswahl für sein Politprojekt Liste Gilt gewinnen. Aus der angepeilten Massenmobilisierung jener 20 bis 30 Prozent, die sich aus verschiedenen Gründen aus dem System der Repräsentantenwahl ausgeklinkt haben, wurde demnach nichts. Immerhin: Das Düringer-Vehikel mehr direkte Demokratie findet seit Jahren auch in anderen Parteipapierln seinen mehr oder weniger ehrlich gemeinten Niederschlag.

Das allgemeine Misstrauen gegenüber den gewählten Repräsentanten des Volkes war es, das den Kabarettisten und selbsternannten Volksschauspieler Düringer seit 2011 aus seinem gut eingeübten Trott zwischen Schwerbenzinhobbys, Fleischhaubenpflege und Bizepsbehandlung ausscheren ließ, um sich Haar für Haar die Welt der gesunden Ernährung, der Askese, der schonenden Körperpflege und der grundlegenden Systemhinterfragung zu erschließen.

Scheitern seiner Liste

Dass dieser durchaus nachvollziehbare Sinneswandel, den Aussteiger von links bis rechts seit jeher gern im Stillen vollziehen, bei der Bühnen- und Filmikone Düringer nicht im Individualismus verharren konnte, sondern mit aller Kraft volksaufklärerisch medial nach außen musste, war klar. Ebenso klar dürfte Düringer – so viel Realismus muss sein – das Scheitern seiner Liste am Parlamentseinzug gewesen sein.

Denn für die unmittelbare Zeit danach war bereits das neue Kabarettsolo Der Kanzler angekündigt. Am Donnerstag hatte Düringer damit im Wiener Orpheum Premiere. Um die Liste Gilt ging es dabei nicht. Vielmehr sollte mit der rot-schwarzen Proporz- und Föderalismusherrschaft, die spätestens dann in Verruf geriet, als es nichts mehr zu verteilen gab, aufgeräumt werden.

Kanzler im Morgenmantel

Wir erleben Düringer als abgebrühten Kanzler im Morgenmantel, der am Tag seiner absehbaren Wahlniederlage an einer Rücktrittsrede feilt, die – wie immer – möglichst wenig aussagen und noch viel weniger bedeuten soll. Bei dieser Gelegenheit erklärt uns der Kanzler die ungeschriebenen Gesetze der hiesigen Realpolitik in einer Rückschau auf seinen Aufstieg und Fall.

Gestreift wird eine Vielzahl an zur Kenntlichkeit entstellten politischen Erwerbsbiografien dieses Landes, vom schwarzen Provinzkaiser, der Pfarrer und Lokalschreiberlinge wie Bratwürstel zum Frühschoppen verputzt, über willfährige Lakaien, die Regenschirme über Politköpfe halten, bis hin zu Bundesministern, die von ihren Beratern wie Aufziehpuppen bedient werden.

Politik heißt, so Düringer, "die richtige Kommunikation zur richtigen Zeit": das Gummistiefelbild, die Schlagzeile. Schwer im Magen liegt allerdings, dass Düringer selbst bei der Wahl der Bilder Sensibilität vermissen lässt. So wird die Migrationskrise im Stück zu einer Hundeplage. Das Spiel mit jüdischen Namen (statt Silberstein ist es hier ein PR-Berater Goldman) hatten im Wahlkampf auch Kurz und Pilz bedient.

Analytisch treffend

Abgesehen davon ist Der Kanzler eine analytisch treffende, wenig überraschende Nacherzählung über die Verhältnisse in diesen vielleicht letzten Tagen der rotschwarzen Zweiten Republik. Viel zu lachen gibt es nicht, Spannung ist trotzdem da. "House of Cards für Arme" würde womöglich Noch-Kanzler Kern dazu sagen. (Stefan Weiss, 20.10.2017)