Hans Peter Doskozil hat im Burgenland die meisten Stimmen erhalten.

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Wien – Vorzugsstimmen nützen vor allem jenen, die sie gar nicht brauchen – und tendenziell schaden sie weiblichen Kandidaten. Das zeigt eine Studie der Universität Innsbruck, für die der Politikwissenschafter Marcelo Jenny die Ergebnisse der Nationalratswahlen von 1994 bis 2013 analysierte. Sein Fazit: In fast allen Parteien bringen es Männer auf viel mehr Vorzugsstimmen als Frauen. Ein Grund: Wähler nennen am ehesten "big names", also Minister oder bestehende Nationalratsabgeordnete. Da Frauen sowohl im Parlament als auch in der Regierung stark unterrepräsentiert sind, werden sie auch seltener auf dem Stimmzettel angegeben.

Grüne Ausnahme

Konsequenterweise hatten bei den Grünen 2013 Frauen einen leichten Vorsprung: Auf regionaler Ebene und auf der Bundesliste gingen im Durchschnitt mehr Vorzugsstimmen an Frauen als an Männer. Das liegt daran, dass mehr als die Hälfte der grünen Abgeordneten weiblich war. Zudem habe die Tatsache, dass sie mit Eva Glawischnig als einzige Partei eine Frau als Parteichefin hatten, ebenfalls eine Rolle gespielt, erklärt Jenny.

Die ÖVP habe mit dem Senken der Hürde für Vorzugsstimmen-Umreihungen ihr eigenes Ziel, Frauen zu fördern, unterlaufen, sagt Jenny im STANDARD-Gespräch. Wer Frauen wirklich fördern wolle, sollte sich für ein Reißverschlusssystem ohne Präferenzstimmen aussprechen, führt der Politologe aus.

Die interne türkise Regelung nutzte nur zwei Frauen, aber fünf Männern. Johanna Jachs und Angela Fichtinger werden in den Nationalrat ziehen. Allerdings konnten sich dadurch einige Männer vorreihen: Der Villacher Stadtrat Peter Weidinger, der Gleisdorfer Bürgermeister Christoph Stark und der Tiroler Dominik Schrott werden dank Vorzugsstimmen ein Mandat erhalten – und nicht die vor ihnen gereihten Frauen.

Auf Bundesebene schwach

Besonders schwach vertreten sind die Frauen bei den Bundeslisten-Vorzugsstimmen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Anders als auf regionaler Ebene, können Wähler auf Landes- und Bundesliste keine Vorzugsstimmenkandidaten ankreuzen, sie müssen selbst einen Namen hinschreiben. Die Bundeslistenkandidaten sind aber nicht in der Wahlkabine ausgehängt, sie liegen – in Form eines Broschürenbands – meist im Vorraum des Wahllokals auf. "Die wenigsten Wähler blättern die Broschüre durch, bevor sie wählen gehen", sagt Jenny. Man wählt also aus der Erinnerung. Und aktiv erinnert werden vor allem jene Namen, die oft in den Medien genannt werden, sagt Jenny – und das sind männliche Regierungsmitglieder und Nationalratsabgeordnete.

Der Effekt, dass Männer im Vorteil sind, zeigt sich auch bei der aktuellen Wahl. Auch wenn die Ergebnisse der Vorzugsstimmen für die Bundesebene erst Mitte nächster Woche vorliegen, Vorzugsstimmenkaiser dürfte mit weit über 100.000 Stimmen Wahlsieger Sebastian Kurz sein. Er löst damit den Rekordhalter Josef Cap ab – der frühere rote Klubchef, der nun den Einzug verpasste, stellte den Rekord 1983 mit 62.000 Vorzugsstimmen auf.

SPÖ-Spitzenreiter Doskozil

Auch die Länderergebnisse werden von Männern dominiert. Spitzenreiter im Burgenland ist Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), der auf Landesebene 27.700 Stimmen erreichte. Sein Parteichef Christian Kern erzielte in Wien 7020 Stimmen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schaffte auf dieser Ebene 3315 Nennungen. Nur in Kärnten konnte eine Frau die meisten Stimmen für sich verbuchen: ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger.

In Niederösterreich punktete Innenminister Wolfgang Sobotka mit 16.000 Stimmen, in Tirol Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (beide ÖVP). In der Steiermark dominierte der rote Gewerkschafter Josef Muchitsch mit 10.907 Stimmen. In Vorarlberg erreichte Norbert Sieber (ÖVP) die meisten Stimmen. (Marie-Theres Egyed, Maria Sterkl, 21.10.2017)