Sterben, Tod, Beisetzung und Totengedenken waren und sind zum Teil bis heute von einer Reihe von Bräuchen begleitet. Sie stellen sogenannte Übergangsriten (rites de passage) dar – ein Begriff, den der Ethnologe Arnold van Gennep (1873–1957) geprägt und in der volkskundlichen und religionswissenschaftlichen Forschung verortet hat. Er bezeichnet im weitesten Sinn magisch-religiöse Handlungen, die ein Mensch oder auch eine Gruppe an konkreten biologischen oder sozialen Marksteinen des Lebens – Geburt, Tod, Eintritt ins Erwachsenenalter, Hochzeit – oder zu Zeitenwenden – zum Beispiel Jahresbeginn – setzt.

Das Totenbrauchtum des bis heute agrarisch geprägten, deutsch-slowenisch-gemischtsprachigen Gebiets Südkärntens ist ein gutes Beispiel dafür. Es fußt letztendlich in der Furcht und archaischen Vorstellung, ein Verstorbener könne jemanden aus seiner Umgebung – einerlei ob Mensch oder Tier – mit sich nehmen oder nach sich ziehen. Daher wurden bereits unmittelbar nach dem Eintritt des Todes Maßnahmen getroffen, die dies verhindern sollten. So achtete man besonders darauf, dem Toten sofort die Augen zu schließen, so dass dieser mit seinem "Blick" niemanden (mehr) verfolgen könne. Spiegel, die sich im Raum befanden, wurden abgenommen oder zumindest verhängt, denn der Widerschein seines Antlitzes in einem Spiegel könne dem Toten die Augen öffnen, mit denen er andere an sich und in den Tod nachziehe. Trat der Tod in der Nacht ein, so wurde mancherorts das Vieh geweckt und eingefüttert, da man glaubte, schlafende Tiere könnten vom Toten leichter mit sich gezogen werden. Wir begegnen hier der alten Vorstellung vom Schlaf als Bruder des Todes.

Der Tote war jedoch nicht nur der gefürchtete Nachzehrer oder Wiedergänger, dem man mit der Erde, die man auf den Sarg warf, den Rückweg versperrte, sondern zugleich auch ein (willkommener) Gast, dem man zu bestimmten Zeiten sogar ein Rückkehrrecht in sein einstiges Heim zugestand. Dies galt zum einen für die ersten Tage nach der Beisetzung, in denen in jenem Raum, in dem der Tote sich zu Lebzeiten zuletzt aufgehalten hatte, ein Licht brannte. Gelegentlich behalf man sich damit, dass man ein Öl- oder Talglicht ins Fenster stellte.

Friedhof im Unteren Gailtal um 1970.
Foto: Archiv Peter Wiesflecker

Der Volksglaube ging demnach davon aus, dass die Toten – oder zumindest einzelne von ihnen – immer wieder in ihre Häuser zurückkehrten. Ein nicht erklärliches Rumoren im Oberstock wurde gerne einem Toten zugeschrieben, der keine Ruhe finden könne und so auf sich aufmerksam mache. Ein probates Mittel, um sich und dem Toten Ruhe zu verschaffen war, eine Messe zu dessen Seelenruhe lesen zu lassen. Auch übermäßige Trauer um einen Verstorbenen, so der Volksglauben, lasse diesen keine Ruhe und rufe ihn gegen seinen Willen zurück. Beispiele dafür finden sich in unterschiedlichen Varianten in Kärntens Sagen.

Arme Seelen

Doch auch im Alltag glaubte man von den Verstorbenen umgeben zu sein, insbesondere von den sogenannten "Armen Seelen", die nach landläufiger Vorstellung im Fegefeuer ihrer Erlösung harrten, jedoch nicht nur dort, denn der Volksglaube wies ihnen auch das Herdfeuer als Aufenthaltsort zu. Zu ihrer Stärkung warf man daher ab und zu ein Stück Brot in das Herdfeuer – ein Brauch, der mancherorts auch heute noch praktiziert wird. Auch Speisereste übergab man von Zeit zu Zeit dem Herdfeuer.

Der Kärntner Volkskundler Pavle Zablatnik berichtete, dass man in manchen Teilen Südkärntens bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine Schüssel mit Mehl, Butter, Eiern und Salz über den Sarg gehalten habe, die nach dem Begräbnis an die Armen verteilt wurde. Er sah darin eine Form der Totenspeisung. Auch das Verteilen von Brot an die Besucher der Seelenmessen oder die Ortsarmen ist für ihn eine Transformierung der antiken Totenspeisung. Ihm zufolge stellte man im gemischtsprachigen Teil Unterkärntens einen angeschnittenen Brotlaib, ein Messer und einen Krug Most auf den Tisch jenes Zimmers, in dem der Tote aufgebahrt war.

Über eine Form der Totenspeisung am Grab berichtet uns bereits ein kaiserlicher Beamter, der 1807 das Untere Gailtal bereiste. Nach ihm wurde nach der Beisetzung ein Korb mit Brot und Speisen, mitunter sogar eine Flasche Wein auf den Grabhügel gestellt, womit sich – wie er schrieb – "die Seele des Abgeschiedenen auf der langen Reise erfrischen mag". Das seiner Meinung nach Beste an diesem Brauch war, "die Vertheilung der von dem Seligen übrig gelassenen Speisen unter die Armen".

All das erinnert an antike Traditionen. Die Römer opferten ihren Hausgöttern und Schutzgeistern (Laren) Speisen ins Feuer oder stellten diese vor dem am Herd stehenden Schrein. Eine solche Verehrung der Hausgötter findet sich auch bei den Bulgaren. Dort werden dem stopan, der ein mystischer Urahne der Sippe ist und als Schutzgeist über sie wacht, Opfergaben ins Feuer geworfen.

Allerheiligen und Allerseelen

Eine besondere Zeit des Totengedenkens ist jene zu Allerheiligen und Allerseelen. In der Nacht zwischen diesen beiden Tagen hatte man den Stubenofen zu heizen, so dass sich die Verstorbenen des Hauses, die in dieser Nacht ins Haus – oder besser gesagt – in ihr Haus zurückkehren, wärmen konnten. Zudem hatte die Stube beleuchtet zu sein. In manchen Gegenden Südkärntens wurden Speisen (Brot und Milch) auf dem Stubentisch und Kleider auf die Ofenbank gelegt, die im Übrigen in dieser Nacht niemand benützen sollte. Raum, Tisch, Ofen, Bank und Kleider waren in dieser Nacht einzig den in ihr Haus zurückkehrenden Verstorbenen vorbehalten. Unterließ man es, die Stube zu heizen, so werde man des Nachts dann ein Pochen, Jammern oder Murmeln über den Undank der Lebenden und ein Zähneklappern der frierenden Seelen vernehmen.

Begräbnis im Unteren Gailtal (1963).
Foto: Archiv Peter Wiesflecker

Doch nicht nur an diesen Tagen seien die "Armen Seelen" zu hören. Auch das Knistern des Holzes im Herdfeuer wird mitunter als Winseln oder Singen der "Armen Seelen" verstanden, zu deren Stärkung dann eben eine Speise ins Feuer geworfen wurde. Kühlung im Fegefeuer verschafften diesen auch einige Tropfen Weihwasser, die man beim Kreuzzeichen auf die Erde fallen lassen sollte.

"Sterben müssen wir alle einmal!"

Die Nacht zu Allerseelen war jedoch nicht nur im Haus geheimnisvoll. In Unterkärnten hieß es, dass am Dachboden an diesem Tag keine Wäsche zum Trocknen aufgehängt sein sollte, denn sonst würde in den nächsten Tagen ein Mensch im Haus sterben. Auch der Friedhof und die Kirche waren in dieser Nacht besser zu meiden, denn um Mitternacht versammelten sich die Verstorbenen zum Gottesdienst.

Im Unteren Gailtal pflegte man in den Tagen vor Allerheiligen Kinder mit Broten zu beschenken. Einzeln oder in Gruppen zogen die Kinder von Haus zu Haus und baten um ein Brot. In diesem Brauch – prosn za en krapeč ("Bitte um ein Brot!") – wird man unschwer eine Verbindung von herbstlichem Erntedank und uralten Totenkulten sehen können. In der Gegend um Bleiburg (Jauntal) wurden solche Seelenbrote in Form von Semmeln, auf die ein Kreuz eingeschnitten war, verteilt. Nach dem Verzehr des ersten dieser Brote, die man möglichst heiß essen sollte, hatte man ein Vaterunser für die Armen Seelen zu beten. Eines der Brote wurde den Armen Seelen ins Herdfeuer geopfert. Im Rosental wurden solche Brote, dazu auch Mehl, auf den Friedhöfen verteilt. Auch im Kanaltal kannte man einst den Brauch, zu Allerseelen Brote (sogenannte "Katschúle") an Kinder auszugeben.

Manches von diesen Bräuchen hat sich in einzelnen Gegenden Südkärntens noch erhalten. Ein Großteil all dessen jedoch gehört heute bereits der Vergangenheit an. In einem Untergailtaler Totenlied heißt es: Umriete murma vsi enkrat! ("Sterben müssen wir alle einmal!"). Das Totenbrauchtum Südkärntens räumt allerdings die Möglichkeit ein, wiederzukehren – ob nun als gefürchteter Wiedergänger oder doch als willkommener Gast ist eine andere Frage. (Peter Wiesflecker, 31.10.2017)

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