In diesem Keramikgefäß fanden sich dutzende Schrifttafeln.

Foto: Peter Pfälzner/Universität Tübingen

Tübingen/Erbil – Forschern der Universität Tübingen gelang in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak ein bemerkenswerter Fund: Bei ihren Ausgrabungen in der alten Stadt Bassetki stießen die Archäologen unter anderem auf ein Keilschriftarchiv mit 93 Tontafeln, das sie auf die Zeit um 1250 v. u. Z. datieren. Was auf den Tafeln geschrieben steht, ist noch unklar: Sie müssen entziffert werden, was nach Einschätzung der Forscher aufwendig und langwierig werden dürfte.

In den vergangenen Monaten legten die Forscher um Peter Pfälzner nach und nach Schichten aus der frühen, mittleren und späten Bronzezeit sowie der nachfolgenden assyrischen Periode frei. "Die Funde belegen, dass dieses frühe städtische Zentrum in Nordmesopotamien jahrhundertelang, von ca. 3000 bis 600 v. Chr., nahezu ununterbrochen besiedelt war. Dies weist auf eine herausgehobene Bedeutung Bassetkis an wichtigen alten Handelsrouten hin", sagte Pfälzner.

Versteckte Schriften?

Bei den Ausgrabungen fand sich auch eine Schicht aus der Zeit des noch wenig erforschten Mittani-Reichs (ca. 1550 – 1300 v. u. Z.). Zwei in dieser Schicht gefundene mittanische Keilschrifttafeln berichten von intensiven Handelsaktivitäten der Bewohner der Stadt, die wohl durch ihre Lage entlang der Handelswege von Mesopotamien nach Anatolien und Syrien florierte. In der darauffolgenden Periode des mittelassyrischen Reichs erlebte die Stadt eine neue Blüte, so Pfälzner.

Das könnte auch der Fund der 93 Tontafeln aus dieser Zeit belegen. Alleine 60 dieser beschriebenen Tontafeln befanden sich in einem Keramikgefäß, das vermutlich zur Archivierung der Texte vorgesehen war. Das Gefäß wurde zusammen mit zwei weiteren Gefäßen entdeckt, umhüllt mit einem dicken Lehmmantel. "Das Gefäß wurde möglicherweise auf diese Weise versteckt, unmittelbar nachdem das umgebende Gebäude zerstört worden war. Vielleicht sollten die enthaltenen Informationen geschützt und für die Nachwelt aufbewahrt werden", so Pfälzner.

Welcher Art die Aufzeichnungen sind, ist aber noch unklar. "Ein kleines Fragment einer Tontafel hat unsere Philologin Betina Faist bereits entziffert. Dort wird ein Tempel der Göttin Gula erwähnt, sodass möglicherweise ein religiöser Kontext in Betracht zu ziehen ist", sagte der Archäologe. Die aufwendige Übersetzungsarbeit der assyrischen Texte soll nun in Deutschland erfolgen. Da viele der Tontafeln ungebrannt und stark abgerieben sind, stelle die Entzifferung eine große Herausforderung dar und werde lange Zeit in Anspruch nehmen, sagte Pfälzner. Er hofft, dadurch mehr über die noch wenig erforschte Gesellschaft und Kultur ihrer Urheber zu erfahren. (red, 27.10.2017)