Helmuth Renner hatte wohl wieder schlaflose Nächte, als seine beiden Töchter heuer schon am 23. August verkündeten, am nächsten Tag mit der Lese zu beginnen. Seit Susanne und Stefanie vor zwei Jahren in den Betrieb einstiegen, hat sich manches verändert. Auch dass die Weinernte früher beginnt als in der Region üblich, um Frische und Säure im Wein zu erhalten. Im Grunde gefällt ihm ja das forsche Lüftchen, das jetzt durch das burgenländische Weingut weht. Seine Mädels seien halt sehr bestimmt, wenn es um die Qualität der Weine geht.

Freilich habe es zu Beginn Aufmerksamkeit erregt, erinnert er sich – zwei Schwestern, jung, intelligent und gutaussehend, die praktisch aus dem Nichts auftauchten und ihre erste eigene Weinserie unter dem Label Rennersistas präsentierten. Inzwischen führen sie den Betrieb. Der Vater ist zwar immer noch fixer Bestandteil und Ratgeber, aber das Sagen haben die jungen Winzerinnen.

Susanne und Stefanie Renner holen sich gerne Tipps von ihrem Vater, beim Weinmachen lassen sie sich aber nicht hineinreden.
Foto: Raidt-Lager

Dass Frauen ein Weingut leiten, ist in der von bäuerlichen Traditionen geprägten Weinwirtschaft noch immer nicht selbstverständlich: Gab es einen Sohn in der Familie, musste er das Weingut übernehmen – ob er wollte oder nicht. Hatte der Vater das Pech, auf keinen männlichen Nachfolger zurückgreifen zu können, mussten die Töchter eben heiraten und der Schwiegersohn in die Bresche springen.

Im Hintergrund

Mädchen durften lediglich als Weinköniginnen glänzen und mit Krönchen im Haar Erntedankfeste eröffnen. Auch Winzergattinnen hielten sich im Hintergrund – ab und an begleiteten sie ihre Männer auf Präsentationen. Weinbäuerinnen aber blieben lange ein Exotikum und wurden entsprechend misstrauisch beäugt.

Doch die Zeiten ändern sich langsam: Immer mehr Frauen drängen in die Weinwirtschaft. Gut ausgebildet, kompetent und überaus ehrgeizig. "Als Frau musst du dich voll reinhängen, dich immer wieder beweisen", glaubt Ingrid Groiss, Jungwinzerin aus dem Weinviertel, "ohne hundert Prozent Einsatz und Leidenschaft geht es nicht."

Auch sie hat vor einigen Jahren den Betrieb ihres Vaters übernommen und vieles umgekrempelt. Von Beginn an setzt sie auf absolute Qualität und Herkunftscharakter ihrer Weine. Heute gilt sie als eines der Aushängeschilder des Weinviertels. Aber immer noch würden viele glauben, dass eigentlich der Vater im Keller werkt. Dabei schupft sie den Betrieb ganz allein.

Ingrid Groiss war Managerin, bevor sie endgültig Schreibtisch gegen Weinkeller tauschte.
Foto: Weingut Groiss

Den Einwand "Aber du bist doch eine Frau!" könne sie nicht mehr hören, wie sie sagt. Weinbau ist nach wie vor ein harter Beruf, auch wenn die technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte das Handwerk erleichtern. In den Weinbauschulen steigt der Frauenanteil dennoch drastisch – inzwischen ist fast die Hälfte der Schüler weiblich.

Ob sie später tatsächlich den Betrieb der Eltern übernehmen können, steht allerdings in den Sternen. Viele junge Winzerinnen müssen immer noch um ihre Stellung kämpfen – haben sie einen Bruder, ist die Wahrscheinlichkeit, sich in der Erbfolge durchzusetzen, enden wollend.

Anders bei den Rennersistas: Ihre Eltern zeigten sich offen genug, demjenigen den Betrieb zu überlassen, der sich am meisten für das Weinhandwerk interessierte – und das waren halt die beiden Mädchen. Der Bruder sieht es gelassen. Er fährt lieber mit dem Stapler herum, als sich in den Weinbergen abzurackern. Stefanie und Susanne Renner definieren sich aber keineswegs über ihre Position als Frauen. "Wir wollen guten Wein machen", erklärt Susanne, "ob wir weiblich oder männlich sind, spielt dabei keine Rolle!"

In der Branche gelten sie jedenfalls als ganz große Nummer: Kenner zeigen sich von ihren makellosen und charaktervollen Naturweinen entzückt. Dass das Ganze ziemlich cool und trendig daherkommt, ist Teil ihres professionellen Auftritts. Sie verkörpern den neuen Typ Winzerinnen, der mit kitschiger Hauerrustikalität so gar nichts mehr am Hut hat. Die Rennersistas stehen für lässigen Zeitgeist und entspannten Umgang mit Weingenuss.

Bio und sonst nichts

Auch Katharina Tinnacher sieht sich als moderne Weinmacherin: Die junge Südsteirerin leitet seit vier Jahren den renommierten Betrieb ihrer Eltern. Vom Vater habe sie viel gelernt, und im Grunde führe sie auch seine Linie weiter. Aber halt pointierter. Handwerkliches Arbeiten und schonender Umgang mit der Natur sind für sie kein Marketinggeplänkel, sondern Überzeugung.

Katharina Tinnacher führt das Weingut der Eltern und macht mittlerweile ihren eigenen Wein.
Foto: Moodley

In den Weingärten wird biologisch gearbeitet, die Mengen gnadenlos reduziert, und auch im Keller hält sie sich weitgehend zurück. Dafür zählen ihre filigranen und geschliffenen Weine derzeit auch zum Besten, was die Südsteiermark zu bieten hat.

Ihre steirische Kollegin Tamara Kögl hatte es da schon schwerer: Das Weingut war vor ihrer Übernahme weitgehend unbekannt. In der Szene gilt sie noch als Geheimtipp. Die junge Winzerin stemmt nicht nur das Weingut im Alleingang, sondern betreibt auch noch eine hübsche Buschenschank in einem alten Hauerhaus, das sie selbst restaurierte.

Ihre Weine zeigen sich selbstbewusst und weltgewandt, die neuen jungen Winzerinnen – fast alle entschieden sich vor ihrer Weinkarriere für einen anderen Beruf. Der Blick über den Tellerrand nützt ihnen heute.

Susanne Renner war Modedesignerin in Wien, ihre Schwester studierte technische Mathematik, Ingrid Groiss arbeitete als Managerin in einem Konzern, und Katharina Tinnacher wollte eigentlich Kunsthistorikerin werden. Doch das Wein-Gen steckte in ihnen und ließ sie nicht los.

Auch Jutta Kalchbrenner, derzeit gehypte Weinmacherin aus Wien, kommt eigentlich aus der Werbebranche, bevor sie "Stadtweinbäuerin" wurde. Die Quereinsteigerin produziert nicht nur hervorragende Weine, sondern weiß auch marketingtechnisch genau, wie der Hase läuft. Mit unkonventioneller Präsentation und kecken Weinbeschreibungen spricht sie auch junges, urbanes Publikum an.

Frauenweine

Aber schmecken Weine von Frauen auch anders? "Absolut nicht", ist Ingrid Groiss überzeugt. Dem Gerede von "gefühlvolleren Gewächsen" kann die Winzerin nichts abgewinnen. Auch wenn etliche Studien besagen, Frauen hätten einen besser ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinn, bedeute das doch nicht zwangsweise, dass sie auch besseren Weine machen.

Die Gruppe "11 Frauen und ihre Weine", ein Netzwerk der ersten heimischen Winzerinnen, formuliert es so: "Frauen haben Männern rein gar nichts voraus." Sie haben den Boden für Frauen in der Weinwirtschaft aufbereitet in einer Zeit, als sich die meisten Frauen noch mit der Rolle begnügen mussten, für männlichen Stammhalter zu sorgen und dem Winzergatten den Rücken freizuhalten.

Österreichische Winzerinnen wie Heidi Schröck, Rosi Schuster oder Birgit Eichinger blies damals in den 1990iger-Jahren wohl noch ein ziemlich rauer patriarchaler Wind entgegen. Mit ausgeprägter Willenskraft und einem hervorragenden Produkt manövrierten sie ihre Betriebe dennoch ganz nach oben. Heute blicken sie zufrieden auf die neue selbstbewusste Generation Weinmacherinnen. Es scheint, also würde sich Weinbau allmählich auch zur Frauendomäne entwickeln. (Christina Fieber, RONDO, 27.10.2017)

Dass Weinmachen längst keine Männerdomäne mehr ist, beweisen die Weine heimischer Winzerinnen.
Foto: Barbara Amon

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