Das Podium bei der Veranstaltung der Jungen Akademie zum geschlechtsspezifischen Braindrain.

Foto: ÖAW

Birgit Sauer und Ute Riedler zeigten die komplexe Situation rund um Chancengleichheit auf.

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Der Frauenanteil in der Jungen Akademie beträgt derzeit 35 Prozent.

Wissenschaft und Forschung sind seit der Antike von Männern dominiert. Doch gerade in den vergangenen Jahrzehnten hat sich sehr viel in Sachen Chancengleichheit getan, und unter den besten Köpfen finden sich mittlerweile weltweit auch viele Frauen. Dennoch zeigen Studien und Statistiken, dass es noch immer gewisse Barrieren für Forscherinnen gibt.

Geschlechtergerechtigkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Vergangenes Jahr war ich an der Organisation zweier interessanter Veranstaltungen der Jungen Akademie beteiligt, die Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung zum Thema hatten. Eine Podiumsdiskussion ging am 22. April 2016 der schwierigen Frage nach, warum in Sachen Geschlechtergerechtigkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit nach wie vor eine Lücke klafft. Denn Chancen und Möglichkeiten sind in der österreichischen Forschungslandschaft noch immer ungleich verteilt.

Zwar sind sieben der insgesamt 21 österreichischen Rektorinnen und Rektoren mittlerweile weiblich, der Anteil der Professorinnen liegt aber bei gerade einmal 23 Prozent. Wie Birgit Sauer von der Universität Wien und Johanna Hofbauer von der WU Wien anhand von Daten zur Umsetzung von Laufbahnmodellen an Universitäten gezeigt haben, ist besonders beim Übergang zur Habilitation die Drop-out-Rate von Frauen hoch. Doch auch davor finden sich Ungleichheiten. Die Wissenschaftsberaterin Ute Riedler betont, dass gerade Frauen als "working poor in der Wissenschaft" häufig in Kettenvertragsregelungen eingesetzt und zur Systemerhaltung herangezogen werden. Systemerhaltend sind zudem universitäre Gremien wie Berufungs- und Habilitationskommissionen, die der Gleichstellung vielfach noch zu wenig Aufmerksamkeit widmen.

Ausbau von Dual-Carreer-Modellen

Besonders bei Frauen klafft die Schere zwischen den vielen Studienabsolventinnen und denen, die der Wissenschaft langfristig erhalten bleiben, noch immer viel zu weit auseinander. Natürlich gibt es dafür vielfältige Gründe und fachspezifische Unterschiede – siehe zum Beispiel die bewussten Initiativen für Förderungen der Mint-Fächer mit traditionell sehr geringem Frauenanteil –, aber eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und hochkarätiger Forschung wäre ein wirklich tragfähiges Zukunftskonzept.

Aus der Jungen Akademie kenne ich mittlerweile quer durch die Fächer positive Beispiele, die zeigen, dass hier ein Wandel einsetzt – viele unserer jungen Mütter sind mit Kleinkind(ern) weiter komplett aktiv und bauen ihre Karriere aus, viele unserer Väter schaffen den Spagat zwischen voll eingebundenem Papa und Forschung. Oft ist es aber derzeit noch auf strapazierfähige Partnerschaften und passendes soziales Umfeld zurückzuführen, dass das funktioniert – am eingeschlagenen Weg zum sich wandelnden Rollenbild für eine gleichberechtigte Verteilung der Last der Vereinbarkeit von Familie und Karriere sind auch die Institutionen gefragt und müssten noch mehr tun. Ein Ausbau von Dual-Carreer-Modellen schon vor der Professur wäre für manche wissenschaftliche Lebensplanung sicher hilfreich.

Mentoring nur für Frauen?

"Sie sind hier falsch, dies ist eine geschlossene Veranstaltung nur für Frauen" – meine persönlichen Erfahrungen ("Keine Angst, ich bin schon richtig") mit frauenspezifischen Mentoring-Programmen, die Akademikerinnen auf dem Weg zur Professur unterstützen, begannen 2007 leider recht ernüchternd. Bei einer von Stereotypen geprägten Informationsveranstaltung, in der mein Kurzhaarschnitt eindeutig störte, wurden in erster Linie "strategisch gut geplante Schwangerschaften" als karrierefördernd hervorgehoben. Frauenförderung und Mentoring können und müssen natürlich viel mehr.

Allerdings gibt es aktuell eine interessante Entwicklung: Mentoring-Programme werden an einigen forschungsstarken Institutionen trotz noch immer geringen Frauenanteils bei Professoren nicht länger ausschließlich für Frauen angeboten. So fördert beispielsweise die Exzellenzuniversität LMU München künftig auch männliche Nachwuchswissenschafter.

Höhere Hürden für Frauen

Sind Frauen also wirklich nicht mehr benachteiligt, haben diese Programme schon durchgängig Erfolg gezeigt? Die Zahlen sowohl zur gläsernen Decke als auch zum Frauenanteil unter den Professoren in Österreich und Deutschland sprechen hier eine ganz andere Sprache. Noch immer sind die Hürden für Frauen deutlich höher.

Das plastische Bild des Hürdenlaufs trifft es dabei sehr gut: Heutzutage hadern zwar Frauen teilweise damit, geschlechtsspezifische Förderprogramme in Anspruch zu nehmen – frau sei doch völlig gleichberechtigt und wolle nicht "bevorzugt" werden. Frauenförderung allgemein und auch Mentoring-Programme sind aber eher als Ausgleich dafür vorzustellen, dass auf der Laufbahn einer Frau minimal höhere und auch ein paar mehr Hürden aufgestellt wurden. Ohne diese wäre die Frau genauso flott unterwegs wie ihre männlichen Kollegen – und um das auszugleichen, machen spezifische Maßnahmen eben Sinn, ohne eine Bevorzugung zu sein.

Auch Exzellenz ist nur relativ

Ein Satz von der Podiumsdiskussion blieb bei mir ganz besonders hängen: Karin Gutiérrez-Lobos, ehemalige Vizerektorin für Lehre, Gender & Diversity der Medizinischen Universität Wien, kritisierte in Zusammenhang mit der Umsetzung von Frauenförderplänen derzeit bestehende Konzepte von "Exzellenz", die eben "nicht vom Himmel fällt".

Nicht zuletzt wegen der in Deutschland wieder neu gestarteten Exzellenzinitiative schien dieses Thema weitere Diskussion wert; ob Exzellenz verlässlich messbar und vor allem strategisch steuerbar ist, war dann Kernpunkt einer weiteren Veranstaltung der Jungen Akademie am 15. Dezember 2016. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno, leitete mit einem spannenden Impulsreferat eine lebhafte Diskussion ein, bei der der allgemeine Tenor war, Exzellenz sei in vieler Hinsicht relativ. Immer mehr Stimmen treten mittlerweile auch dafür ein, dass gerade die Leistungs- und Qualitätsmessung, die meist an quantitativen Kriterien wie der Anzahl an Publikationen festgemacht wird, überdacht werden muss.

Quotenregelung für Akademien?

Die so stark strapazierte Exzellenz in der Wissenschaft und die vieldiskutierte Quotenregelung stehen scheinbar im Widerspruch zueinander. Denn kommen nicht hochqualifizierte Männer und die Qualität zu kurz, wenn Frauen bevorzugt behandelt werden? Die Quotenfrau, die der Sache der Frauenförderung insgesamt keinen guten Dienst tut, wird in Zeiten der Exzellenz und Internationalisierung verstärkt als abschreckendes Beispiel zitiert.

Das Thema Quotenregelung bei Akademien der Wissenschaften bekam 2016 frischen Input. Die neue weibliche Präsidentin der Niederländischen Akademie hat Extra-Wahlrunden nur für Frauen eingeführt, um rasch den sehr geringen – und wie bei allen Akademien historisch gewachsenen – Frauenanteil bei besonders strengen Qualitätsstandards zu erhöhen. Eine derartige "Women only"-Politik erntete allerdings heftige internationale Kritik. Warum könnte man aber zum Beispiel nicht über eine 50:50-Quote mit einem gewissen "Situationspuffer" bei den Zuwahlen nachdenken? An der Jungen Akademie entwickelte sich der Frauenanteil von 14 Prozent bei neuen Mitgliedern 2013 zu 63 Prozent 2014, 57 Prozent 2015, 60 Prozent 2016 und 44 Prozent 2017. Die Schwankungen sind situationsbedingt und abhängig von der jeweiligen Bewerberlage, aber kein Mitglied muss sich als Quotenfrau fühlen – es geht eben darum, bei gleichbleibender Qualitätskontrolle unseren derzeitigen Gesamtanteil von 35 Prozent Frauen schnell anzuheben, und hier sind die jährlichen Zuwahlen das einfachste Mittel.

Unis und Forschungsinstitutionen sollten keinen Spagat zwischen Exzellenz, Internationalisierung, Diversität und Frauenförderung konstruieren und vor allem die einzelnen Faktoren nicht gegeneinander ausspielen – anzusetzen ist bei umfassender Nachwuchsförderung. Die anspruchsvollen Aufgaben der Rekrutierung der besten Köpfe, Planbarkeit hochklassiger Forschung und Lehre sowie Haltung exzellenter Leute im Fach können durch die geschlechtsunabhängige Berücksichtigung aller Kandidatinnen und Kandidaten und die Aufhebung strukturell bedingter Unterschiede nur massiv gewinnen. (Julia Budka, 25.10.2017)