Das Netz ist auch ein Raum für Gemeinsamkeiten, sagt Ingrid Brodnig.

Foto: Ingo Pertramer / Brandstätter-Verlag

STANDARD: Warum klappt über Twitter die Solidarisierung zwischen Frauen so gut?

Ingrid Brodnig: Interessanterweise ist der Feminismus eines jener politischen Anliegen, die besonders zu Mobilisierung im Netz führen – es gibt sogar ein Wort für Aktionen wie #MeToo oder #aufschrei, nämlich Hashtag-Feminismus.

STANDARD: Was kann Hashtag-Feminismus?

Brodnig: Hashtag-Feminismus eröffnet einen Raum der Gemeinsamkeiten, in dem Frauen ihre Probleme gemeinsam besprechen können. Einerseits geht es für die Nutzerinnen stark darum, Solidarität mit anderen Frauen zu zeigen, und andererseits auch darum, gemeinsam eigene Erlebnisse zu verarbeiten. Das zeigt übrigens auch eine Befragung unter Wissenschafterinnen, die angaben, dass sie feministische Hashtags verwenden, um sich oftmals zu solidarisieren oder eigene Erfahrungen zu teilen.

STANDARD: Doch gerade im Netz ist die Gefahr neuerlicher, verbaler Übergriffe groß – gerade für Frauen. Warum trauen sich dennoch so viele, wie derzeit das neue Twitter-Stichwort der Stunde, #metoo, zeigt?

Brodnig: Vielen Frauen ist bewusst, dass sie sich Häme und Sexismus aussetzen, wenn sie online für Gleichberechtigung plädieren oder eigene negative Erfahrungen ansprechen – aber anscheinend überwiegt für viele das positive Erlebnis, dass sie sehr viel Solidarität erleben und auch mit ihrem Tweet etwas zur Bewusstseinsbildung beitragen. Was wir leider nicht wissen, ist, wie viele Frauen allerdings nicht an solchen Hashtag-Aktionen teilnehmen – eben weil sie sexistische Kommentare oder persönliche Beleidigungen durch andere Nutzer fürchten.

STANDARD: Was bringen diese Hashtags für die aktuellen Probleme wirklich?

Brodnig: Speziell feministische Frauen sind online stark von "Silencing" betroffen – von besonders aggressiven und sexistischen Kommentaren. Hier wird quasi versucht, feministische Meinungen wegzuekeln. Wer sich als Mann oder Frau zum Feminismus bekennt, muss leider mit solchen Beleidigungen rechnen.

Wir kennen das aus vielen Online-Foren, wo sehr harte, sehr feminismusfeindliche Nutzer besonders laut und rüpelhaft auftreten. Hashtags sind eine Form der Gegenwehr: Denn unter diesem Hashtag versammeln sich Gleichdenkende, um ihre Erfahrungen auszutauschen – und sich gemeinsam nicht wegekeln zu lassen, sondern bestehende Probleme aufzuzeigen. (Beate Hausbichler, 25.10.2017)