Southgate liegt zwischen der vielbefahrenen Altmannsdorfer Straße und einem Kleingartenareal.

Foto: Rupert Steiner

Erste städtebauliche Skizzen stammen noch von Harry Glück.

Foto: Rupert Steiner

"Eigentlich wollten wir hinaus aufs Land, aber durch die Jobs hat es sich ergeben, dass wir doch in Wien geblieben sind", erzählen Özgür Camur und Özlem Yandu, während sie gerade in der Wiese stehen und Pflanzen gießen. "Jetzt wohnen wir in dieser neuen Wohnhausanlage mitten in Wien und haben sogar einen eigenen kleinen Garten." Der Buchhalter und die Forschungsassistentin wohnen gemeinsam in einer 101 Quadratmeter großen Maisonette-Wohnung im Erdgeschoß mit Blick ins Grüne. Die Tugend ist Programm, denn das Projekt Southgate, so der offizielle Name der Anlage, ist gänzlich als autofreie Siedlung konzipiert.

"Das Projekt ist ziemlich geschickt geplant", sagt das junge Paar. "Die beiden langen Wohnriegel sind eine Art Schallschutzmauer für uns und absorbieren den gesamten Autolärm von der Altmannsdorfer Straße sowie von der Autobahnauffahrt auf den Altmannsdorfer Ast. Von alledem bekommen wir nichts mit. Kein Lärm, kein Feinstaub, keinerlei Umweltverschmutzung. Dafür sehen wir auf Bäume und haben sogar einen kleinen Teich nur wenige Schritte entfernt. Es ist einfach nur schön."

Skizzen von Harry Glück

Hinter der 415 Wohnungen umfassenden Wohnhausanlage in der Sagedergasse 21 in Wien-Meidling stecken die beiden Wohnbauträger Buwog und Gesiba sowie die Architektinnen Peretti+Peretti und Sne Veselinovic. Das städtebauliche Konzept und die ersten architektonischen Skizzen, die im Laufe der Zeit jedoch etliche Male überarbeitet wurden, gehen noch auf den im Dezember 2016 verstorbenen Architekten Harry Glück zurück. Eine Gedenktafel auf Stiege 1 erinnert an den Großmeister der sozialen Themen. Und nicht nur diese.

"Harry Glück hat sich ein Leben lang für gewisse Standards im geförderten Wohnbau eingesetzt", erklärt Ewald Kirschner, Generaldirektor der Gesiba. "Dazu zählen grüne Gärten, begrünte Fassaden, große Balkone und Terrassen mit Blumentrögen, die Nähe zum Wasser und zur Natur, die Abkehr vom Autoverkehr im unmittelbaren Wohnbereich und natürlich der Swimmingpool auf dem Dach. All das haben wir hier ganz in seinem Geiste – und sogar im Rahmen der Förderbarkeit – realisiert." Glück selbst bezeichnete diese Faktoren stets als "das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl".

Alterlaa im Blick

Das Paradebeispiel, in dem Glücks Vision erstmals und in einem bislang nie wieder gesehenen Umfang realisiert wurde, steht in Sichtweite zur Wohnhausanlage Southgate. Von den Balkonen und vom Schwimmbad auf dem Dach des Hauses hat man einen unmittelbaren Ausblick auf den zwischen 1973 und 1985 errichteten Wohnpark Alterlaa, keine 800 Meter Luftlinie entfernt. Auf diese Weise, so Gesiba-Chef Kirschner, möchte man diesem "Meilenstein des Wohnbaus" Reverenz erweisen.

Der Wohnungsmix in den beiden straßenseitigen Riegeln der Buwog und Gesiba umfasst rund 250 Mietwohnungen mit Kaufoption mit zwei, drei und vier Zimmern. Ein Teil davon ist als Maisonette ausgeführt und verfügt über ein eigenes Mietergärtchen. Sämtliche Balkone und Loggien sind mit bauseits installierten Pflanzenkübeln und eigenem Wasseranschluss ausgestattet. Die Tiefe der privaten Freiräume ist so bemessen, dass auch Tisch und Liegestuhl aufgestellt werden können. Zudem gibt es im Erdgeschoß einen Kindergarten mit eigenem Freibereich.

Im Grünen eingebettet

Ergänzt wird die Anlage von 164 Eigentumswohnungen, die auf fünf verschieden große Punkthäuser im Inneren der Anlage aufgeteilt sind. Anders als die Mietwohnungen in den Riegeln liegen diese mitten im Grünen eingebettet – umgeben von Gehwegen, Parkbänken, kleinem Teich und mehreren Spielplätzen. Unter den vier- bis achtgeschoßigen Häusern und unter einem Teil des Gartens befindet sich die Tiefgarage mitsamt E-Car-Ladestationen, die so angelegt wurde, dass der Großteil des alten Baumbestandes erhalten werden konnte. Die Landschaftsplanung stammt vom Wiener Büro Auböck+Kárász.

"Wir haben sehr darauf geachtet, im Inneren der Anlage den richtigen Maßstab zu wahren, denn das Grundstück ist rundum von Kleingartenhäusern umgeben", erklärt die für diesen Bereich zuständige Architektin Sne Veselinovic. "Zudem sind die Häuser so positioniert, dass sie leicht gegeneinander versetzt sind und man dem Nachbarn vis-à-vis nie direkt ins Wohnzimmer schaut. Es war ein Herumprobieren mit vielen verschiedenen städtebaulichen Modellen – so lange, bis alles gepasst hat."

Das wissen auch die Bewohner zu schätzen. Die 28-jährige Biomedizinerin Lizzie Colledge wohnt gemeinsam mit ihrem Mann Joel in einem der Punkthäuser mitten im Grünen. "Wir haben unsere 100 Quadratmeter große Wohnung im Internet gefunden. Die Stimmung in der Anlage ist sehr angenehm, und die Autofreiheit trägt dazu wesentlich bei, denn alles, was man sieht, sind spazierende Erwachsene und spielende Kinder. Weit und breit kein Auto. Das ist Lebensqualität." (Wojciech Czaja, 26.10.2017)