Für Österreicher eine ungewohnte Erfahrung: Den Rettungsnotdienst übernimmt in Deutschland die Feuerwehr.

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Günther Brandstetter beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Manchmal erzählen ihm auch seine Freunde von ihren Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem.

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Der moderne Mensch führt ein "Leben im Plural", wie es der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch Anfang der 1990er-Jahre formuliert hat. Eine Freundin ist ein gutes Beispiel dafür: Sie leitet ein kleines Unternehmen, ist außerdem Fotografin, hat einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, lebt in einer Beziehung und kümmert sich um ihre Mutter, die immer wieder schwer krank ist. – Mehrere Rollen, die sie in ihrem Leben vereint.

Deshalb beschloss sie kürzlich eine Woche zu verreisen. Nach Berlin. Eine Auszeit nehmen, gemütlich Zeit in Kaffeehäusern verstreichen zu lassen, Ausstellungen und Lesungen besuchen. Einfach mal runterkommen, denn der Stress der vergangenen Monate hatte sich bereits auf den Magen geschlagen. Vor der Abreise war sie noch bei ihrem Hausarzt, um sich ein Medikament gegen das lästige Sodbrennen verschreiben zu lassen.

Nach ihrer Ankunft im Hotel spürte sie es wieder, dieses unangenehme Gefühl, das sich in der Brustgegend breit machte. Schnell eine Tablette schlucken, kann ja nicht schaden. Ihr Körper sah das anders und reagierte allergisch auf das Medikament. Schwindel, Kreislaufprobleme, Atembeschwerden. Sie muss sich übergeben, bricht zusammen, liegt auf dem Boden. Schafft es irgendwie, zu ihrem Handy zu kriechen, wählt den Notruf, schildert ihre Beschwerden.

"Müssen wir Sie wirklich runtertragen?"

Die erste Frage am anderen Ende lautet: "Können Sie nicht selbst ins Spital fahren? Ist es wirklich notwendig, dass wir kommen?" Meine Freundin antwortet: "Ja, ist es. Ich rufe ja nicht an, weil mir so fad ist!" Nach etwa 20 Minuten wird sie abgeholt. – Aber nicht die Rettung steht vor der Zimmertür, sondern die Feuerwehr. Das ist Deutschland in solchen Fällen so üblich. Die Männer wirken genervt, sind unfreundlich. Die nächste irritierende Frage: "Müssen wir Sie wirklich runtertragen, können Sie nicht selbst gehen?" Der feuerwehrmännische Rettungsdienst hat keine Bahre dabei, schleppt sie irgendwie zum Wagen und bringt sie schließlich in eine Notfallambulanz.

Die Ärzte im Spital scheinen sich nicht wirklich für ihr Leiden zu interessieren, geben ihr eine Infusion und entlassen sie rasch wieder. Nach ihrer Rückreise ruft sie ihren Hausarzt an. Er versichert ihr, dass das Arzneimittel hundertprozentig nicht schuld an dem Vorfall sei. Sie vertraut ihm.

Es folgen intensive Arbeitstage. Der Körper reagiert wieder mit diesem unangenehmen Brennen, dass langsam die Speiseröhre emporkriecht. Sie probiert es noch einmal mit dem verschriebenen Arzneimittel, nimmt sicherheitshalber nur eine halbe Tablette. Erneut wehrt sich ihr Körper. Sie bricht wieder zusammen, ruft die Rettung, die sie ins Wilheminenspital bringt. Dort gerät sie an eine Ärztin, die ihre Beschwerden ernst nimmt, ihr zuhört, eine Magenspiegelung und Allergietests veranlasst. Auf den endgültigen Befund wartet sie noch. In der Zwischenzeit hat sie sicherheitshalber nicht nur das Medikament abgesetzt, sondern auch ihren Hausarzt. (Günther Brandstetter, 5.11.2017)