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Nach Vorwürfen wegen sexueller Belästigung am Samstag zurückgetreten: Peter Pilz

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Die Lawine, welche die Vorwürfe um Harvey Weinstein ausgelöst hat, rollt unaufhaltsam weiter. Sie bricht auch immer tiefer in die Politik hinein. Sei es in Brüssel, London, oder jetzt eben in Österreich. Wer die Aufdeckungen und deren Reaktionen verfolgt hat, weiß inzwischen nicht mehr, wovon er schockierter sein soll: Der Tatsache, dass sich offenbar – wie von Feministinnen und Feministen schon lange propagiert – tatsächlich durch alle Schichten der Bevölkerung eine Kultur der sexuellen Machtausübung zieht, oder den massiven Verharmlosungsversuchen in den Zeitungsforen.

Es ist natürlich härter, wenn solche Vorwürfe nicht einen im Hintergrund fungierenden Filmproduzenten treffen, sondern Publikumslieblinge wie Kevin Spacey oder Peter Pilz. Wer die Filme des Charakterdarstellers genoss, oder sein politisches Vertrauen in den ehemaligen Grünen gesetzt hat, wird es hart getroffen haben. Man könnte sich zurecht betrogen fühlen. Die Stimmungslage scheint aber eine andere zu sein.

Stimmungslage in Foren

Verfolgt man die Kommentare unter den verschiedenen Artikeln, von der "Krone" über die "Presse" bis zum STANDARD, kann man sich nur noch an den Kopf greifen. Dabei sind es in etwa dieselben Postings, die immer und immer wieder zu lesen sind und grün bestrichelt (lesenswert) werden:

  1. Der Täter, zum Beispiel Pilz, sei Opfer einer, zum Beispiel grünen, Intrige.
  2. Wie lange müsse man das Thema jetzt noch ausschlachten?
  3. Wieso waren die Opfer so lange still? Offenbar seien sie nur karrieregeil und hätten die Taten jahrelang weiterhin zugelassen.
  4. Durch solche Kavaliersdelikte würden die "echten" Fälle verharmlost.

Wer postet?

Während man sich im Zuge der Berichterstattung um Flüchtlinge und den Ukrainekonflikt noch einreden konnte, dass politisch instrumentalisierte Bots oder bezahlte Poster hinter den fragwürdigen Kommentaren steckten, gibt es keine "Lobby von Vergewaltigern", die ein solches Phänomen erklären könnte. Woher also diese Verschwörungstheorien? Diese wahnwitzige Täter-Opfer-Umkehr?

Woher kommt die Verharmlosung?

Ein Ansatz ist die kognitive Dissonanz: Anstatt sich einzugestehen, dass Idole oder man selbst in der Vergangenheit falsch gehandelt hat, rückt man sich die Wahrheit zurecht. Pilz war wenigstens "Manns genug" sein Fehlverhalten einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen. Seine Anhänger könnten davon lernen.

Wer mal (mit-)erlebt hat, wie jemand ungefragt begrapscht wurde, weiß, welche Ängste und Schäden derartiges auslösen kann. Eine derartige Begebenheit geheim zu halten kann viele Ursachen haben: Scham, Befürchtungen einer beruflichen Benachteiligung, oder eben eine schreiende Masse, die einem einreden will, nur Aufmerksamkeit (oder Geld) zu wollen und der eigentliche Täter zu sein.

Weiter machen

Die ersten Veröffentlichungen um Weinstein sind jetzt erst ein Monat her, seitdem ist weltweit vieles ans Tageslicht gerückt. Genau deshalb ist es nötig, weiterhin darüber zu reden, Bericht zu erstatten, sich nicht unterkriegen zu lassen. Denn man sollte sich trotz allem immer vor Augen führen: Diese Kommentarschreiber sind – obwohl sie unaufhörlich das Gegenteil behaupten – eine Minderheit. Manchmal eine laute, eine gehässige und eigensinnige. Aber sie sind eine. (Carlos Peter Reinelt, 5.11.2017)