Die Namen dieser Celebritys sind in Österreich weniger bekannt. Macht nichts, hier geht es um den Schmuck, der bei der Tiffany-Gala in Moskau an den ebenmäßigen Körpern funkelte.

Foto: Tiffany & Co
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Diamanten sind das Kerngeschäft von Tiffany: Abseits der berühmten Verlobungsringe gibt es aber auch modernere Designs, zum Beispiel die T- und die HardWear-Collection.

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Der Franzose Marc Jacheet ist bei Tiffany für die Märkte Europa, Mittlerer Osten und Afrika zuständig.

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Die Fotowand spielt an diesem Abend die Hauptrolle. Das Kinn ein wenig nach rechts, die Lippen zum Schmollmund geformt, die Beine leicht angewinkelt. Eine Frau nach der anderen stellt sich im Historischen Museum in Moskau vor die türkisblaue Wand mit den Tiffany-Logos. In die Kamera schauen! Und bitte den Schmuck nicht verdecken!

Um Letzteres geht es hier wenige Schritte vom Kreml entfernt: um die von einer schlichten Platinfassung umrandeten kieselsteingroßen Tansanite, die an den Fingern funkelnden Fünfkaräter oder das in allen Pastelltönen strahlende Multimillionendollar-Collier. Je prominenter die Trägerin, je dicker ihre Brieftasche (oder jene ihres Gatten), umso pompöser fällt der Schmuck aus, den ihr Tiffany für den Abend geliehen hat.

"Understatement ist die Sache der Russinnen nicht", hatte einen am Vormittag noch Marc Jacheet erklärt. Der frisch gekürte Tiffany-Vizepräsident für den Raum Europa, Mittlerer Osten und Afrika ist gemeinsam mit seiner halben Belegschaft von London nach Moskau gekommen, um die neueste Boutique des amerikanischen Schmuckunternehmens zu eröffnen.

In Wahrheit geht es aber um viel mehr: darum, einen Fuß in einen der wichtigsten Märkte der Welt zu bekommen, den sich ansonsten die Konkurrenten unter sich aufteilen würden. Und darum, ein Zeichen hinaus in die Welt zu senden: Seht her, wie wir glitzern und funkeln! In Zeiten, in denen das Unternehmen eher wegen Umsatzrückgängen als neuer Designleistungen in den Medien ist, keine unwichtige Botschaft.

Große Dinger

Wo ließe sie sich besser verkünden als in der Stadt, die mindestens genauso für ihren Protz wie für ihre Staus berühmt ist? "Schauen Sie sich um", fordert einen Jacheet auf, "die Edelsteine in den Vitrinen sind um einiges größer als in anderen Geschäften." Ein Ring neben dem anderen funkelt im neuen Geschäft in dem eleganten 19.-Jahrhundert-Gebäude in der Petrovsky-Passage. Die meisten von ihnen sind Verlobungsringe.

Um sich die vor einigen Jahren lancierte T-Kollektion oder die in diesem Frühjahr vorgestellte HardWear-Linie anzusehen, muss man über eine geschwungene Stiege in den ersten Stock steigen. "Unser Fokus liegt auf Verlobungs- und Hochzeitsringen. Unsere Anzeigenbuchungen gehen zu 100 Prozent in diesen Bereich", erklärt Marina Levochka, Tiffany-Geschäftsführerin in Russland.

Die weniger klassischen Designs, die man an diesem Tag an den Hälsen und Armen der sogenannten Influencer sieht, die aus Paris oder New York eingeflogen worden sind, spielen nur die zweite Geige. Die Schwester von Model Laetitia Casta ist da, Star-DJane Cate Underwood, die Tochter von Roman Polanski und Emmanuelle Seigner. Ihre Smartphones sind im Dauereinsatz, ein Bild nach dem anderen wird in die sozialen Netzwerke hochgeladen.

Die User, die sie erreichen, sind für Tiffany derzeit besonders wichtig. Laut einer neuen Studie der Unternehmensberatung Bain & Company und dem italienischen Luxusverband Altagamma werden die Millennials und die Generation Z im Jahr 2025 rund 45 Prozent der Zielgruppen hochpreisiger Marken ausmachen.

Sie erwarten, dass die Marken sie in ihren Lebenswelten abholen bzw. ihnen das Gefühl geben, begehrenswert zu erscheinen. In diesen Punkten hat Tiffany in den letzten Jahren aber deutliche Probleme gehabt. Die Kreativdirektorin Francesca Amfitheatrof musste Anfang des Jahres gehen, im Sommer war CEO Frederic Cumenal dran.

Neue Designs

Tiffany, schrieb das "Wall Street Journal", habe seine Coolness verloren und kämpfe darum, sie wiederzuerlangen. 45 Prozent der Verkäufe im vergangenen Jahr entfielen auf Schmuckstücke, die 530 Dollar und weniger kosteten, aktuelles Design mache nur etwa zehn Prozent der Verkäufe aus, ein Teil des Sortiments wurde bereits in den 1960ern eingeführt. Auf einem Markt, der beständig nach Neuem lechzt, eine schwierige Ausgangslage.

Das sieht auch Marc Jacheet so: "Es ist einfacher, Superluxus zu verkaufen, als Stücke zwischen 1000 Euro und einer Million im Angebot zu haben und den Käufern dasselbe Gefühl von Luxus zu vermitteln." Das wolle man durch eine Strategie der Nähe und nicht der Distanz erreichen.

Was Jacheet damit meint, merkt man spätestens, wenn man durch das Moskauer Luxuskaufhaus Gum spaziert. Luxus meint hier noch vielerorts Distinktion, man wird von unten bis oben gemustert. Auch Tiffany hat im Gum eine Filiale (sie ist die einzige in Russland neben jener in der Petrovsky-Passage), die Teppiche und Vorhänge sind schwer, der Empfang ist aber herzlich. "Unsere Ringe sagen, ich liebe dich, das funktioniert nur, wenn wir auch ein Lächeln auf die Gesichter der Käufer zaubern, egal, ob sie einhundert oder hunderttausend Euro ausgeben", so Jacheet.

Herausforderung

Eine coole jüngere, aber mitunter nicht so kaufkräftige Käuferschaft anzulocken und gleichzeitig das Image der Marke hochzuhalten: Das ist die Herausforderung, die Edelschmuckmarken wie Tiffany meistern müssen. Mit einem Umsatz von über vier Milliarden Dollar im Jahr braucht man ein breites Angebot, der alleinige Fokus auf das hochpreisige Segment würde nicht funktionieren. Erst vor ein paar Monaten hat man Lady Gaga zum Testimonial gemacht, in den Werbekampagnen sind eine Reihe Influencer zu sehen.

Auch an diesem Moskauer Abend sind die Trendsetter dabei, wichtiger aber sind die traditionsreichen Juwelen an den Körpern der Celebritys. Bitte noch einmal in die Kamera schauen, fordern die vielen Fotografen die Gäste auf, während eine Hundertschaft livrierter Kellner Garnelen in Aspik servieren.

Tiffany, brüstet man sich, habe den Luxusschmuck nach Amerika gebracht. Das war in der Mitte des 19. Jahrhunderts, ist also schon ein Weilchen her. Jetzt geht es darum, die Marke auch in Russland strahlen zu lassen. Und Fotos davon in alle Welt zu verschicken. (Stephan Hilpold, RONDO exklusiv, 19.12.2017)

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