"Im besten Fall spürt man ein gutes Produkt", sagt der Designer Rainer Mutsch.

Foto: Katharina Gossow

Mutschs Uhr für Rado, daneben Ohrgehänge für die Juweliere Köchert und die Outdoor-Bank "Dune".

Fotos: Rado; Studio Rainer Mutsch; Köchert Juweliere

Rainer Mutsch hat für einige Hersteller entworfen. Zum Beispiel die Lampenkollektion Orchid für Axo Light ...

Foto: Axo Light

... oder die Aeon Wandboards für Breitwieser ...

Foto: Breitwieser

... sowie Pflanzgefäße Palma für das Schweizer Unternehmen Eternit.

Foto: Eternit

Es gibt Klischees, die werden manchmal ganz einwandfrei erfüllt. Zum Beispiel der landläufige Gedanke an ein typisches Designerstudio. Betritt man das Atelier des österreichischen Designers Rainer Mutsch in der Wiener Landstraße, findet man all das vor, was man sich in der Formenschmiede eines Gestalters gedanklich hinstellt.

Da gibt's auf einem alten schokobraunen Kachelofen kleine Modelle von Möbeln, die sich zu einer lässigen Puppenstube versammeln, es türmen sich rosa Styroporblöcke, Werkzeuge, Kataloge und Bücher sonder Zahl. Eine Assistentin darf im Bild natürlich auch nicht fehlen. Sie sägt an einem Holzstab, der zu einem Bein für den Prototyp eines Tischchens wird. Noch am selben Abend wird dieses auf seinen eigenen Beinen stehen, sagt Mutsch zuversichtlich.

An den Wänden lehnen Kartons, darüber hängen Plakate von Objekten, die der 40-jährige Burgenländer bereits entworfen hat: seiner Outdoor-Bank "Dune", die aussieht wie riesige, rundgewaschene Kieselsteine, seinem bewusst windschief konstruierten Bücherregal "Crash" oder seiner freundlich wirkenden Leuchte "Clip".

Licht aufgehen

Einer Vielzahl von Menschen bekannt sind zwei andere Entwürfe des Designers, die jährlich in der Adventzeit ihren Auftritt haben. Es handelt sich dabei um die Weihnachtsbeleuchtung an der Wiener Ringstraße oder die 550.000 Lichtlein, die jedes Jahr über der Kärntner Straße aufgehen. Sie bringen insgesamt 54 Lichtelemente zum Leuchten, die an riesige futuristische Kaulquappen, Engelsflügerln oder dreidimensionale Paisleymuster erinnern. Je nach Betrachter. Und davon gibt es jedes Jahr Zigtausende, die unter den Lichtern hindurchschreiten, ohne zu wissen, dass die Leuchtwolken ihren Ursprung in diesem Studio haben.

Studiert hat Mutsch an der Dänischen Designschule Kopenhagen ebenso wie an der Universität der Künste Berlin und der Wiener Angewandten. Gearbeitet hat er bei Valentinitsch Design und bei Werner Aisslinger, seit 2008 hat er sein eigenes Studio. Die Kunden heißen unter anderem Eternit, Viteo Swarovski und Rado, für die er eine Uhr entwarf, die derzeit an einer Menge Lifestyle-Ecken und -Enden auftaucht.

Mit der Gestaltung der Keramikuhr "True Stratum" tritt Mutsch in große Fußstapfen, durften doch auch schon Kapazunder wie Jasper Morrison oder Konstantin Grcic Hand an die Rado-Welt legen. Doch das scheint den Gestalter wenig zu beeindrucken.

"Ich gehe immer gleich behutsam an einen Entwurf heran, egal ob es sich um einen Marmortisch oder Ohrringe für die Juweliere von Köchert handelt", sagt Mutsch und blickt nicht ohne Stolz auf sein Handgelenk. "Mir war es wichtig, ein Stück Industriedesign abzuliefern, kein Layout oder Grafikdesign, wie es bei einer Uhr durch ihre zweidimensionale Erscheinung oft naheliegt", erklärt Mutsch.

Eine extrem reduzierte Uhr

Den wenigen Spielraum, den eine Uhr einem Gestalter, noch dazu einem aus anderen Gefilden, lässt, fand Mutsch in der Tiefe der extrem reduzierten Uhr. Und der Designer hat es tatsächlich geschafft, etwas Neues in die Welt des Uhrendesigns zu zaubern.

Blickt man von oben auf die Uhr, sieht man Rillen bzw. Schichten, die sich nach unten vermehren. Man könnte auch sagen, aus der Vogelperspektive sieht das untypische Ziffernblatt wie ein antikes Amphitheater aus Hightech-Keramik aus. Das Zentrum der Uhr – dort, wo zwei weiße und ein knallgelber Zeiger aus der Mitte des Rundes wachsen – blendet er brachial aus, indem er es mit etwas verdeckt, das aussieht wie ein Micky-Maus-Ohren-rundes Blättchen Konfetti. In Wahrheit ist das kleine Rund aus Metalldampf, um den sich staccato der Sekundenzeiger dreht. "Ich wollte so nah an die Zeit wie möglich, die Mechanik so gut es geht reduzieren", sagt Mutsch.

Die Automatik-Uhr um 2.140 Euro, die Teil einer limitierten Kollektion ist, zu der u. a. auch die Designer Oskar Zieta oder jene von "Big Game" einen Entwurf beisteuerten, ist für den Designer auch ein Hinterfragen der Zeit. Durch die Dreidimensionalität ändert sich abhängig von den jeweiligen Lichtverhältnissen das Erscheinungsbild des Ziffernblattes.

Genau diese Veränderung ist es, die ebenso für andere Entwürfe des Gestalters gilt, so ändert auch eine Leuchte von Mutsch ihr Erscheinungsbild über den Tag und wirkt im Raum, auch wenn sie nicht eingeschaltet ist.

Mutsch sagte einmal: "Im besten Fall spürt man ein gutes Produkt. Man sollte keine akademische Vorbildung brauchen, um Design beurteilen zu können. Der Zugang bleibt ein subjektiver. Klar kann man die Welt des Designs hochstehend theoretisieren, aber am Ende des Tages handelt es sich um Gebrauchsgegenstände – am Anfang des Tages natürlich auch." Mit der Uhr hat Mutsch etwas entworfen, mit dem sich die Zeit dazwischen wunderbar ablesen lässt, nicht nur an den Zeigern. (Michael Hausenblas, RONDO exklusiv, 17.02.108)