Die Koinzidenz mit den Regierungsverhandlungen ist schwer von der Hand zu weisen. Die Gewerkschaft scheint es auf Kampfmaßnahmen geradezu angelegt zu haben, die sich praktischerweise auch gleich gegen eine allfällige schwarz-blaue künftige Regierung und befürchtete Grauslichkeiten in deren Arbeitsprogramm richten.

Nüchtern betrachtet sind Arbeitsniederlegungen eher eine Show denn sachlich gerechtfertigt. Die Positionen in der Herbstlohnrunde für rund 185.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte sind nicht so weit auseinander, dass man diese Kluft im durch und durch sozialpartnerschaftlich organisierten Österreich nicht wegverhandeln könnte. Sofern man das will. Genau das scheint aber das Problem zu sein. Wiewohl sie versichern, wie wichtig ihnen der "Klassenkampf am grünen Tisch" sei, so schlecht war das Gesprächsklima zwischen den Arbeitgebervertretern der Industrie und den Gewerkschaftern schon lang nicht.

An der Zerrüttung des Verhältnisses wurde über die Jahre fleißig gearbeitet: Sie zeigte sich bei der Debatte um die notwendige und erwünschte Arbeitszeitflexibilisierung im Juni recht deutlich, bei der ein Kompromiss auf dem Altar des Wahlkampfes geopfert wurde, und gipfelte im Gesetz über die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in der letzten Parlamentssitzung vor der Nationalratswahl. Den Antrag hatte bezeichnenderweise Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer miterfunden, gemeinsam mit den Freiheitlichen drückten die Roten die stufenweise Angleichung bis 2021 durch. Man kann die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten selbstverständlich als überholt ansehen und durch einen einheitlichen Beschäftigtenbegriff ersetzen. Eingefleischte Sozialpartner hätten das aber wohl eher gemeinsam verhandelt.

Das Ergebnis sitzt den Industrievertretern tief in den Knochen. Ohne ihre zur Schau gestellte Enttäuschung jetzt zum Maßstab überhöhen zu wollen (die ist nicht mehr als Befindlichkeit), ein konstruktives Ergebnis sieht anders aus: Es bringt beiden Seiten Erfolge. Davon sind die Lohnverhandler aber weiter weg als je zuvor, denn die Gewerkschafter haben nach erfolglosem Tauziehen in der Nacht auf Dienstag noch einmal nach- und die Latte mit der Forderung nach einem Dreier vor dem Komma hoch gelegt. Ob die angebotene Istlohnerhöhung um 2,5 Prozent angesichts der Konjunktur zu mickrig ist oder doch maßvoll, verkommt dabei fast zur Nebensache.

Vor dem Hintergrund der präsidentiellen Erosion der Sozialpartnerschaft – nach Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl verabschiedet sich in wenigen Monaten auch Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske, während ÖGB-Präsident Erich Foglar noch überlegt, doch eine weitere Periode anzuhängen – könnten sich die Arbeitnehmer einen Bärendienst erwiesen haben. Der Karren ist verfahren, und in diese Flanke könnten nun jene hineinfahren, die seit jeher danach trachten, Elemente des Kollektivvertrags auf betriebliche Ebene zu verlagern. (Luise Ungerboeck, 7.11.2017)