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Vanja ist das Urteil in Karlsruhe zu verdanken.

Foto: dpa / Peter Steffen

Bisher war die Sache aus Sicht von deutschen Standesbeamten einfach. Wurde ein Neugeborenes im Personenstandsregister eingetragen, so gab es lange zwei Möglichkeiten für die Bezeichnung: "männlich" oder "weiblich" .

War man sich nicht ganz sicher, so konnte seit dem Jahr 2013 das Geschlecht auch offengelassen werden. Man wollte damit Druck von intersexuellen Menschen nehmen, sich für ein Geschlecht entscheiden zu müssen.

Rund 160.000 intersexuelle Menschen leben in Deutschland, für Österreich möchte der Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (Vimö) keine absolute Zahl nennen, geht aber von 0,5 Prozent der Bevölkerung aus, das wären 43.500 Betroffene. Geschlechtsbestimmende Merkmale wie Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen oder äußere Geschlechtsorgane sind bei ihnen nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Vanja wollte einen eigenen Eintrag

So auch bei Vanja (27), wie sich in Deutschland jene "beschwerdeführende Person" (Bezeichnung des Gerichts) nennt, die nun ein Grundsatzurteil erstritten hat. Vanja wurde im Geburtenregister als "weiblich" vermerkt. Später, als sich herausstellte, dass dies nicht eindeutig zutrifft, wollte Vanja einen eigenen Eintrag haben und schlug "inter/divers" vor.

Das Standesamt verweigerte dies mit dem Hinweis auf das Gesetz. Vanja fühlte sich diskriminiert, es folgte ein juristischer Kampf bis zum Verfassungsgericht. Dieses entschied am Mittwoch, dass die aktuelle Situation gegen das Grundgesetz verstoße.

Denn: Personen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen, würden in ihren Grundrechten verletzt, wenn sie das Personenstandsrecht zwinge, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulasse. "Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu", urteilt das Höchstgericht.

Frist bis Ende 2018

Bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber nun eine neue Regelung und eine Bezeichnung für ein drittes Geschlecht finden. Vorschläge lauten auf "inter" oder "divers". Gelingt dies nicht, dann müsste – um eine weitere Diskriminierung zu vermeiden – künftig eine Geschlechtsangabe im Register völlig unterbleiben.

Karlsruhe hatte Stellungnahmen von 16 Verbänden und Organisationen eingeholt. Für das dritte Geschlecht plädierten neben dem Ethikrat auch das Institut für Menschenrecht sowie die Gesellschaften für Sexualforschung und Psychologie. Dagegen waren das Zentralkomitee der Katholiken und die Standesbeamten.

In Österreich kämpft Alex Jürgen für ein drittes Geschlecht, der Vimö hofft, dass das deutsche Urteil nun auch auf die österreichische Rechtsprechung abfärbt. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.11.2017)