In Kiew kam es in den vergangenen Tagen wieder zu Protesten.

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Kiew/Moskau – Die russisch-ukrainischen Beziehungen steuern auf einen neuen Tiefpunkt zu: Die Rada, das Parlament in Kiew, plant kommende Woche die zweite Lesung und womöglich auch den Beschluss des Gesetzes "über die Reintegration des Donbass". Darin wird Russland ausdrücklich mit dem Status "Aggressorstaat" versehen. Im Kreml, der seit Jahren eine Beteiligung am Konflikt in der Ostukraine abstreitet, rief die Bezeichnung naturgemäß im Vorfeld Empörung hervor.

Zusätzliche Brisanz erhält das Gesetzesprojekt durch eine Initiative des Abgeordneten Iwan Winnik von der Präsidentenfraktion "Block Poroschenko". Winnik will in das Gesetz nämlich auch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen festschreiben: "Die Aufgabe der Änderung ist es, die Regierung daran zu erinnern, dass es unmöglich ist, Russland als Aggressorstaat zu bezeichnen und gleichzeitig diplomatische Beziehungen zu dem Land zu unterhalten", sagte er. Seiner Einschätzung nach könne dies innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes geschehen.

Umstrittene Gesetzesänderung

Dass das Gesetz grundsätzlich vom Parlament angenommen wird, bezweifelt in Kiew kaum jemand. Die von Winnik eingebrachte Verschärfung ist aber auch innerhalb der Rada umstritten: Sergej Soboljew von der Vaterlandspartei der Ex-Premierministerin Julia Timoschenko dementierte, dass die Norm in das Gesetz aufgenommen werden soll. Auch Winniks Parteikollege Alexej Gontscharenko zeigte sich skeptisch.

In dem Gesetz gehe es um die Regulierung der Lage im Donbass – die Beziehungen zu Russland gehörten in ein anderes Gesetz. "Und wir sollten uns das zehnmal überlegen, denn wenn wir die diplomatischen Beziehungen zu Russland abbrechen, dann wirkt sich das auch auf den Minsker Prozess und den Schutz der Ukrainer aus, die sich auf dem Gebiet Russlands aufhalten."

Eiszeit seit 2014

Die Chefin des russischen Föderationsrats Walentina Matwijenko nannte die potenziellen Folgen eines völligen Kontaktabbruchs "katastrophal". Unter diesem Begriff lässt sich aber auch schon der aktuelle Zustand der Beziehungen umschreiben: Einen Botschafter haben die beiden Nachbarstaaten nicht mehr in der jeweils anderen Hauptstadt. Kiew hat seit 2014 nur noch einen "befristeten Rechtsvertreter" in Moskau, für Russland gilt der umgekehrte Fall seit Sommer, als Kiew die Neubesetzung des Botschafterpostens ablehnte.

Bei einem Ende der diplomatischen Beziehungen würden auch diese Vertreter abgezogen. Derartige Gedankenspiele gibt es in Kiew zumindest schon. Dort wurden Weißrussland oder die Schweiz als mögliche künftige Vermittler ins Spiel gebracht. (André Ballin, 8.11.2017)