Allein mit Hochglanzkatalogen kommen Bank- und Finanzberater künftig nicht mehr über die Runden. Ab 2018 muss vieles dokumentiert werden, auch warum ein Produkt zum Kunden passen soll.

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Wien – Am 3. Jänner 2018 ist es so weit, die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II ist ab diesem Zeitpunkt anzuwenden. Damit gehen nicht nur für Anbieter von Anlageprodukten gravierende Änderungen einher – auch für Verbraucher wird einiges anders. Ziel der EU-Richtlinie, die in Österreich mit dem Wertpapieraufsichts- und dem Börsengesetz 2018 in nationales Recht gegossen wurde, ist die Erhöhung der Transparenz und der Vergleichbarkeit von Finanz- und Anlageprodukten für Konsumenten.

Die Zeiten, in denen Privatanleger und Berater einfach ein zum Kunden passendes Investmentprodukt ausgewählt haben, sind jedenfalls bald passé. Künftig müssen Anlagevehikel schon so gestaltet werden, dass diese auf bestimmte Anlegertypen, etwa einen konservativen Privatinvestor, zugeschnitten sind. Vorgesehen ist auch ein laufender Austausch zwischen den Entwicklern und dem Vertrieb bezüglich der Frage, ob die Produkte den jeweiligen Anforderungen entsprechen.

Detaillierte Dokumentation

Beratungsgespräche müssen detailliert dokumentiert werden, was ausschließen soll, dass Anlegern Produkte verkauft werden, die für sie ungeeignet sind oder die sie eigentlich nicht wollen. Zudem sind die Kosten den Kunden künftig transparent darzulegen, versteckte Spesen gehören bald der Vergangenheit an.

"Mifid II wird für Anleger in einigen Bereichen Verbesserungen bringen, das ist unbestritten", sagt Christoph Obermair, Partner im Bereich Financial Services bei der Beratungsfirma PwC. Dazu zählt er etwa die Transparenz, wo und wie viel Bank oder Anbieter am Kuchen mitschneiden. "Immerhin wissen Kunden dann genau, was Anlageberatung kostet", ergänzt Otto Lucius, Vorsitzender des Verbands Financial Planners. Mehr Wettbewerb sorge zudem für sinkende Preise und geringere Margen. "Das freut natürlich Kunden, kann aber dazu führen, dass Anbieter aus dem Markt ausscheiden."

"Wir beobachten bereits jetzt starke Kürzungen bei Mitarbeitern, die im Retailgeschäft Anlageberatung vornehmen", sagt er über den Bankbereich. Ebenfalls stark betroffen seien freie Finanzdienstleister, welche die Anforderungen an Dokumentation und Compliance künftig kaum mehr stemmen könnten. "Dann bleibt nur der Weg unter ein Haftungsdach."

Dünneres Produktangebot

Weiters erwartet Lucius, der auch an den Universitäten Graz und Vaduz in Luxemburg lehrt, ein Ausdünnen des Produktangebots, etwa im Bereich Investmentfonds und besonders bei hausfremden Produkten. "Das wird sich im Private Banking weniger auswirken, aber im Massengeschäft wird es starke Auswirkungen haben", sagt Lucius.

Weniger kritisch sieht PwC-Experte Obermair die Folgen für die Fondsanbieter: "Bei den klassischen Produktherstellern, die wir in Österreich kennen, wird sich voraussichtlich nicht viel ändern. Es wird aber aufwendiger, Produkte aus dem Nicht-EU-Ausland zu vertreiben." Sprich, nicht jeder Anbieter wird sich den durch Mifid II erhöhten Aufwand antun, um am EU-Markt präsent zu sein.

Hinsichtlich der Flut an Informationen ist auch Obermair nicht sicher, ob sie für Otto Normalanleger Nutzen schaffen: "Die Frage lautet: Kann ein Kunde mit den zusätzlichen Informationen etwas anfangen, oder überfordern sie ihn? Ob ein Retail-Kunde, der sich auf die Einschätzung seines Bankberaters verlässt, davon einen Mehrwert hat, sei dahingestellt."

"Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht", geht Lucius abschließend mit Mifid II hart ins Gericht. Unter dem Strich wird es aus seiner Sicht für Privatkunden mehr Nach- als Vorteile bringen. (Alexander Hahn, 11.11.2017)