Wien – Die Bioethikkommission hat umfangreiche Empfehlungen gegen die Diskriminierung intersexueller oder transidenter Menschen ausgearbeitet. Neben der Einführung einer dritten Option in Personenstandsregistern geht es dabei unter anderem. um sanitäre Einrichtungen, Schutz vor irreversiblen, ungewünschten Eingriffen sowie eine mögliche Entschädigung für davon Betroffene.

Öffentliche wie private Stellen sollten die Notwendigkeit einer Abfrage des Geschlechts bei alltäglichen Registrierungen überprüfen. Für jede zwingende Abfrage bedürfe es eines sachlich rechtfertigenden Grundes, etwa medizinischer oder organisatorischer Art.

Bei der Planung von baulichen, sportlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen sollte die Möglichkeit, dass sich Personen weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, berücksichtigt werden. Stehen bei öffentlichen Sanitärräumen nur die beiden Optionen zur Verfügung, "müssen transidente Personen ebenso wie Personen mit physisch uneindeutiger Geschlechtsausprägung grundsätzlich die Wahl haben, für welche Option sie sich entscheiden", schreibt die Bioethikkommission.

Betroffene sollen entscheiden

Bei uneindeutiger Ausprägung des physischen Geschlechts soll der/die einwilligungsfähige Betroffene entscheiden, ob eine geschlechtszuordnende Maßnahme gewünscht ist. Eingriffe im Neugeborenen- oder Kindesalter seien grundsätzlich zu unterlassen und nur bei Vorliegen einer medizinischen Indikation gerechtfertigt. Vor allem sollten Eltern nicht denken, dass sie überhastet eine Entscheidung bezüglich des zuzuordnenden Geschlechts ihres neugeborenen Kindes treffen müssen. Die Bundesregierung müsse zudem die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Betroffene, die durch eine länger zurückliegende medizinische Maßnahme geschädigt worden sind, prüfen.

Die Bioethikkommission unterstützt ausdrücklich, dass Personen, die aufgrund eines Auseinanderfallens des psychischen und des physischen Geschlechts das Gefühl haben, "im falschen Körper" zu leben, Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Geschlechtsumwandlung erhalten. Intensive Beratung und Betreuung sei hier geboten. Über eine Reduzierung der Anzahl erforderlicher Gutachten solle aber diskutiert werden.

Zum Eintrag des Geschlechts in Personenstandsregistern hielt die Kommission fest: Dies diene der Feststellbarkeit der Identität. Wie die Angabe des Geburtsdatums keine Altersdiskriminierung darstellt, fehle der Beschreibung nach dem Geschlecht eine diskriminierende Wirkung, wenn eine weitere Option neben "männlich" oder "weiblich" eingeführt werde.

Anspruch bei Umschreibung

Die Änderung des Namens solle nicht von einer Eintragung des Geschlechts im Geburtenbuch abhängig gemacht werden. Mit erfolgter Umschreibung im Geburtenbuch sollten Betroffene einen Anspruch gegenüber öffentlichen und privaten Stellen auf Neuausstellung von Urkunden wie Ausweispapiere, Personenstandsurkunden oder Zeugnisse haben.

Intersexualität und Transidentität (Transsexualität, Gender-Dysphorie, Gender-Inkongruenz) seien heute weltweit als Thema präsent. Dennoch wissen viele Menschen nur sehr wenig über Geschlechtsidentität und -zuordnung, was zu großer Unsicherheit von Eltern führen könne, die sich bei Geburt eines Kindes mit nicht eindeutigem anatomischen Geschlecht plötzlich damit konfrontiert sehen, so die Kommissionsmitglieder.

Das Thema Transgender wurde in die Empfehlung übrigens miteinbezogen: Beides seien zwar verschiedene Phänomene, sie würden aber auf sachlicher, ethischer und rechtlicher Ebene Gemeinsamkeiten aufweisen. (APA, 9.11.2017)