In Valie Exports Serie der "Körperkonfigurationen" (1972-1982) werden mächtige Bauten der Menschen mit nichts als dem Körper vermessen. Bisweilen arbeitete Export für diese Fotos – wie im Falle von "Der Mensch als Ornament" (1976) – mit der Schauspielerin und Künstlerin Susanne Widl zusammen.

Foto: Bildrecht Wien

Linz – Schauen tut man gemeinhin mit den Augen, nicht jedoch im Tapp- und Tastkino (1968) von Valie Export. Für diese Aktion stellte sich die Künstlerin auf die Straße und bot Passanten an, ihre Brüste zu berühren, die allerdings durch eine um den Oberkörper geschnallten Kartonbox dem Blick entzogen waren. Die provokante Aktion zielte darauf ab, den voyeuristischen Blick, vor allem den männlichen, zu irritieren. Die Teilnehmer sollten unmittelbar mit dem konfrontiert werden, was sie im "echten" Kino aus allzu sicherer Distanz begehrten.

Die Aktion gilt heute als ikonische Arbeit der feministischen Kunst in Österreich, die 1940 geborene Künstlerin als Pionierin einer Strömung, die radikal den weiblichen Körper respektive seine medialen Abbilder reflektiert. Von der Unermüdlichkeit, mit der Export Frauenbilder im weitesten Sinne erforschte, kann man sich überzeugen, wenn die Stadt Linz – ihre Geburtsstadt – sie jetzt mit der Einrichtung eines Valie-Export-Centers ehrt. Untergebracht ist es passenderweise in der Tabakfabrik: Immerhin variierte die als Waltraud Lehner Geborene für ihr Logo jenes der Zigarettenmarke Smart Export.

Dass sie zugleich ihre Gedanken "exportieren" wollte, wie die Künstlerin erklärt, diesem Umstand trägt auch der Umfang ihres 2015 von der Stadt angekauften Vorlasses Rechnung. Nicht bloß Arbeiten bzw. deren Dokumentation werden dort nach und nach versammelt sein, sondern das gesamte Archiv der Künstlerin: Recherchematerialien, Skizzen, Notizen und sogar die gesamte Bibliothek Exports. Die Gedankengänge, die zu einem Werk führen, sind gleichbedeutend mit diesem. So lautet das der Konzeptkunst verbundene Credo, dem in der vom Lentos und der Kunstuniversität betriebenen Institution Rechnung getragen wird.

Vorträge werden hier stattfinden, zur Eröffnung gleich ein Symposium (Freitag ab 13 Uhr). Kunstinteressierte, vor allem aber auch Wissenschafter können sich umtun etwa zwischen Zeitungsartikeln, die Export im Hinblick auf ihre Projekte sammelte. Hier kann man aber auch erforschen, welche Belletristik sich die Künstlerin neben kultur- und medienphilosophischen Bänden ins Bücherregal stellte.

Wurzeln und Blüten

Womit man es im Valie-Export-Center sonst noch zu tun bekommen kann, davon gibt indes eine kleine Ausstellung im Untergeschoß des Lentos (bis 28. 1.) eine Ahnung. Sie trägt Züge einer Retrospektive, sollte aber nicht als solche missverstanden werden. Kuratorin Sabine Folie geht es darum, "das Archiv als Ort künstlerischer Forschung" zu beleuchten, wie auch der Untertitel der Präsentation verheißt.

So steht man hier zunächst vor einem wandfüllenden Diagramm, das detailliert Gedanken über das Verhältnis zwischen dem Archiv als oft verborgenem Unterbau und dem "offiziellen" Kunstwerk vorführt. Und auf ebendieses Verhältnis will Folie auch hinaus, wenn sie die Schau in Anlehnung an die Gehirnhälften strukturierte: hier der sprachlich-analytische Unterbau, Recherchematerialien, Korrespondenzen, die Export als Kuratorin, Künstlerin, Denkerin führte; dort ihre Arbeiten, (digitale) Fotos, Drehbücher für Film und Fernsehen.

Zunächst liest man etwa jenen Brief, in dem sie 2000 forderte, dass keine Mitglieder der schwarz-blauen Regierung bei der Verleihung des Oskar-Kokoschka-Preises an sie anwesend sein durften, während man im zweiten Teil Verweise auf die Fotoserie Körperkonfigurationen findet, für die Export ihren Körper an Architekturen anschmiegte, um soziale Machtstrukturen zu hinterfragen.

Als ästhetisches Ausstellungserlebnis bleibt die Lentos-Schau zeitweise eher spröde, etwa wenn man vor einer Wand steht, die über und über mit Buchtiteln aus Exports Bibliothek gespickt ist. Im Notfall könnte man die Ausstellung im Lentos dann aber immer noch als Teaser für ihr Archiv in der Tabakfabrik sehen. (Roman Gerold, 9.11.2017)