Oslo/Wien/Bonn – Norwegen vergibt weiterhin Ölförderlizenzen in der Arktis. Das ist laut Umweltschützern verfassungswidrig und verstößt auch gegen das Klimaschutzabkommen von Paris. Deshalb ziehen Greenpeace und Nature & Youth vor Gericht und klagen die norwegische Regierung. Der Prozess hat am Dienstag begonnen.

Die norwegische Regierung hatte im Juni 2016 – zwei Monate nach Ratifizierung des Pariser Klimavertrags – neue Ölförderlizenzen in der Arktis an insgesamt 13 Ölkonzerne vergeben, darunter ist auch die OMV. "Man kann nicht gleichzeitig als eines der ersten Länder das Pariser Klimaschutzabkommen unterschreiben und wenig später noch unangetastete Regionen in der Arktis für Ölförderungen öffnen", kritisiert Adam Pawloff von Greenpeace Österreich.

Neben dem Klimavertrag argumentiert Greenpeace mit der norwegischen Verfassung: Diese garantiert in Paragraf 112 eine "gesunde und sichere Umwelt für kommende Generationen". Mit der Förderung von Öl nehme Norwegen aber zum einen den fortschreitenden Klimawandel in Kauf, zum anderen mögliche Ölkatastrophen.

Gleichzeitig wird noch bis Freitag auf der 23. Klimakonferenz in Bonn gegen die Klimaerwärmung gekämpft: Unter dem Vorsitz des Inselstaats Fidschi soll geklärt werden, wie die Erwärmung auf zwei, noch besser auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beschränkt werden soll. Klar ist: Um dieses Ziel zu erreichen, muss ein Großteil der bekannten Reserven an Öl und Kohle im Boden bleiben, nämlich 80 Prozent.

Norwegen sieht Verpflichtungserklärung erfüllt

Laut Norwegens Generalstaatsanwalt Fredrik Sejersted halte der Staat diesen Fall in Hinblick auf wichtige gesellschaftliche Fragen für wichtig. Auch die Frage, wie ein verfassungsrechtlicher Paragrafen ausgelegt werde, sei zentral. Gleichzeitig sei es nach Meinung der Regierung ziemlich klar ist, dass die norwegischen Behörden alle ihre Verpflichtungserklärungen zum Umwelt- und Klimaschutz erfüllt hätten und das auch weiterhin tun werden, sagte Sejersted zum Guardian.

Hochsensible Arktis

In der Arktis wird etwa ein Fünftel der weltweiten Erdöl- und Erdgasreserven vermutet. Die großen Anrainerstaaten des Nordpolarmeers sind Russland, Dänemark, Kanada, die USA und eben Norwegen – die sogenannten "Arctic Five". Sie dürfen territoriale Ansprüche erheben.

Doch das Unfallrisiko wird in der rauen See als hoch eingeschätzt. Auch die Gefahr, dass das fast unberührte Ökosystem rund um den Nordpol durch Transitrouten schwer geschädigt wird, ist groß. Kommt es zu einem Ölaustritt, würde sich das Ökosystem langsamer erholen, da die Mikroorganismen bei niedrigen Temperaturen das Öl deutlich langsamer zersetzen.

Machtfrage Öl

Doch die Förderung von fossilen Brennstoffen ist auch eine Machtfrage. Die bekannten Reserven an Öl und Kohle sollen einen Wert von knapp 3.000 Milliarden Euro haben. 80 Prozent dieser Reserven müssten im Boden bleiben, um die Erderwärmung auf zumindest zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken. Länder wie Venezuela und Saudi-Arabien sowie globale Unternehmen müssten damit freiwillig auf Milliardengewinne verzichten. Indien und China müssten zum Beispiel ebenfalls rund zwei Drittel ihrer Kohlereserven im Boden lassen.

Entscheidung erst 2018

Der Gerichtsprozess in Oslo dauert bis 23. November. Eine Entscheidung soll spätestens drei Monate später folgen. (Julia Schilly, 14.11.2017)