Wer sich im Job belästigt fühlt, kann sich an das Arbeits- und Sozialgericht oder an die Gleichbehandlungskommission wenden.

Foto: Elmar Gubisch

Wien – Sind Bemerkungen über den Hintern einer Kollegin nur dumme Schmähs, die Hand auf der Schulter, die dort bei jeder Gelegenheit ruht, oder die klamme Umarmung nur unangenehme Episoden aus dem Büroalltag? Oder schon sexuelle Belästigung? Seit den bekanntgewordenen Vorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein erregen diese Fragen die Gemüter.

Sexuelle Belästigung beginne bei einem "der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten", erklärt die Arbeitsrechtsanwältin Kristina Silberbauer. Wenn dieses Verhalten die Würde einer Person verletze, es unerwünscht sei, als unangebracht oder als anstößig empfunden werde und damit wiederum ein einschüchterndes oder feindseliges Arbeitsumfeld geschaffen werde, liege sexuelle Belästigung vor.

An welchem Punkt das Verhalten von Kollegen, Vorgesetzten, Arbeitgebern oder auch Kunden – für sie alle gilt das Verbot von sexueller Belästigung – entwürdigend oder in der sexuellen Integrität verletzend wirkt, kann nur von den Betroffenen selbst beurteilt werden. Etwas deutlicher werden die Grenzen zwischen sexistischem Danebenbenehmen und sexueller Belästigung, wenn das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten in Verbindung mit Chancen im Beruf auftritt – zum Beispiel, wenn sexuelle Avancen eines Vorgesetzten ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung werden, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter Zugang zu Weiterbildung oder Weiterbeschäftigung, eine höhere Entlohnung oder Beförderung erhält.

Unter konkrete Beispiele sexueller Belästigung am Arbeitsplatz fallen Kniffe in den Po, aufgedrängte Küsse und die Androhung beruflicher oder sonstiger Nachteile bei sexueller Verweigerung. Aber auch das Aufhängen sexuell anzüglicher Bilder, obszöne Witze, scheinbar zufällige Körperberührungen, anzügliche Bemerkungen und Fragen, "auch wenn sie in Komplimente verpackt sind", konkretisiert Silberbauer.

Beim körperlichen Kontakt gegen den Willen der Betroffenen teilen die meisten Menschen das Empfinden, dass damit klar eine Grenze überschritten wird. Doch es gibt viele Fälle, die völlig unterschiedlich interpretiert werden: Ein Vorgesetzter beugt sich über eine Akte und kommt so einer Mitarbeiterin sehr nahe; ein vertraulicher Griff auf den Arm oder anzügliche Witze missfallen den einen massiv, während sie andere womöglich gar nicht wahrnehmen.

Fingerspitzengefühl gefragt

Wer sich im Job sexuell belästigt fühlt, kann sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. Sie wird im Vorfeld der Gleichbehandlungskommission tätig und berät über das weitere Vorgehen, etwa über einen Antrag bei der Kommission, oder sie nimmt Gespräche mit dem Arbeitgeber auf.

Mit einer konkreten Beschwerde bei der Gleichbehandlungskommission startet ein offizielles Schlichtungsverfahren, das mit einem Gutachten oder Empfehlungen endet. Diese haben zwar keine Rechtswirkung, ein Gerichtsurteil muss sich allerdings mit den Erkenntnissen der Gleichbehandlungskommission auseinandersetzen. Wer auf Schadenersatz klagen will, muss sich an das Arbeits- und Sozialgericht wenden.

Doch bevor diese Schritte gesetzt werden, sollte der Arbeitgeber informiert werden, rät die Anwältin. Er muss im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für eine angemessene Maßnahme sorgen. "Das erfordert Fingerspitzengefühl", sagt Silberbauer. "Das Spektrum sexueller Belästigung ist breit, dementsprechend auch das Feld möglicher Maßnahmen." Diese können von Ermahnung, Verwarnung, Freistellung, Versetzung bis hin zu Kündigungen und Entlassungen reichen.

Wenn falsch beschuldigt wird

Bevor eine Maßnahme in Betracht gezogen wird, müsse der Arbeitgeber herausfinden, ob die Vorwürfe stimmen, und den Richter spielen, "ohne die Mittel eines Gerichts zur Verfügung zu haben", sagt Silberbauer, die als Rechtsanwältin oft für eine unabhängige Beratung als Externe hinzugezogen wird.

In diesem Wahrheitsfindungsprozess werden neben den Betroffenen auch Zeugen befragt. Es kann auch der potenzielle Täter involviert werden, was allerdings heikel sein kann: "Einerseits soll er fairerweise auch angehört werden, andererseits könnten Betroffene seine Reaktion fürchten", schildert die Anwältin die Lage.

Beweise liegen im Falle sexueller Belästigung meist nicht vor. Deshalb sieht das Gleichbehandlungsgesetz, das sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz regelt, statt Beweisen eine "Glaubhaftmachung" vor. Gelingt diese, sind die Betroffenen davor geschützt, dass sie wegen ihrer Gegenwehr beruflich benachteiligt oder gar entlassen werden. Können sie aber nicht glaubhaft darlegen, dass sie ein Verhalten aus der sexuellen Sphäre ertragen mussten, könnten sie unter Umständen ihren Job verlieren – oder mindestens als Denunzianten dastehen.

Wird jemand zu Unrecht verdächtigt, können die Beschuldigten vom Arbeitgeber einfordern, gegen die Beschuldiger vorzugehen. Die Maßnahmen sollten der Schwere der falschen Vorwürfe entsprechen. Zusätzlich können zu Unrecht Beschuldigte strafrechtlich gegen die Beschuldiger vorgehen und wegen Ehrenbeleidigung, übler Nachrede oder Kreditschädigung klagen.

"Streitigkeiten über sexuelle Belästigung kommen vor, aber nicht oft", resümiert Silberbauer aus ihrem Arbeitsalltag, in dem sie vorwiegend Arbeitgeber vertritt. Wenn es Vorwürfe der sexuellen Belästigung gibt, wären die Firmen bestrebt, keine Fehler zu machen. Und solche Vorwürfe würden in den meisten Fällen sehr ernst genommen. (Beate Hausbichler, 16.11.2017)