Es war fast wie in den besten Zeiten von "Dallas" und "Dynasty", den medialen Gassenhauern der 1980er-Jahre, bei deren Ausstrahlung sich die gesamte Familie vor dem Fernseher versammelte: Zu Beginn der zweiten Staffel der US-Serie "Stranger Things" saßen vor ein paar Wochen allein in den USA 15,8 Millionen Menschen vor ihren Geräten. Damit ist die Netflix-Serie erfolgreicher als "Game of Thrones". Da wird sogar das Kino neidisch.

Dabei galten TV-Serien lange als zweitklassiges Entertainment, in den letzten Jahren sind sie zur Kunstform avanciert und haben das gute alte Fernsehen, dem schon lange ein schneller Tod prophezeit wurde, doch noch ein wenig künstlich beatmet. War es in 1990er-Jahren noch ein Imagerisiko, im Fernsehen zu arbeiten, sind Seriendarsteller und Seriendarstellerinnen mittlerweile die neuen medialen Helden. Kein Wunder: Sogar der teuerste Blockbuster ist nur kurz im Gespräch, während sich Serien über Wochen und Monate hinziehen.

Mit diesem Gesicht lässt sich Geld verdienen: Serienheldin Emilia Clarke ("Game of Thrones") in einer aktuellen Werbekampagne für ein Dolce-&-Gabbana-Parfum.
Foto: Dolce & Gabbana

Serien sind Popkultur. Würde die Durchschnittsfrau Manolo-Blahnik-Heels ohne die stilprägende Serie "Sex and the City" kennen? Was in Serien zu sehen ist, prägt unser Einkaufsverhalten. Und manche Formate zelebrieren einen wahren Ausstattungsrausch: Wer auf Bling-Bling steht, der wird in "Empire" bestens bedient – von Gucci bis Phillip Lim trägt die patente Produzentin Cookie alias Taraji P. Henson, die mit ihren engen, grellen Kleidern daran erinnert, dass im Hip-Hop Bescheidenheit keine Zier ist.

Dass Serien mit Modefirmen kooperieren, ist klar: Beide profitieren von geschicktem Product-Placement. Designer machen breitenwirksame Trends aus den Fernsehlooks. Louis Vuitton ließ für seine Show 2012 eine nostalgische Eisenbahnlok auffahren, aus der Belle-Époque-Damen ausstiegen, um der gerade gehypten britischen TV-Show "Downton Abbey" die Ehre zu erweisen. Ralph Lauren eröffnete seine Präsentation der Herbst-Winter-Kollektion 2012/ 2013 mit dem Titelsong der Upper-Class-Serie. Miuccia Prada wiederum ließ sich vom Sixties-Look der Serie "Mad Men" inspirieren.

Kit Harington als Werbegesicht für Dolce-&-Gabbana.
Foto: Dolce & Gabbana

"Stil und Mode in Film und Fernsehen waren schon immer wesentlich für die Zuschauerinnen", analysiert Andrea B. Braidt, Filmwissenschafterin und Vizerektorin der Akademie der bildenden Künste Wien. "Bereits in den 1950er-Jahren, zeigt eine Studie der britischen Filmwissenschafterin Jackie Stacey, war das Schauverhalten der Zuschauerinnen davon geprägt, dass Frisuren, Kleiderkonventionen und Outfits der Leinwandstars imitiert wurden. Die Industrie spielte dabei eine aktive Rolle."

Die 13-jährige Millie Bobby Brown ist auf Plakaten von Calvin Klein zu sehen, privat interessiert sie Mode nicht sonderlich.
Foto: Calvin Klein

"Dynasty" auf dem Cover

Die angeblich erste Show, die einen Merch-Hype auslöste, war eine für ABC ab 1954 produzierte "Disneyland"-Miniserie. Kostümdesigner Nolan Miller war für das Power-Dressing in der 1980er-Serie "Dynasty" zuständig. Er bekam tausende Briefe pro Monat mit der Frage, wo man denn Reproduktionen seiner Outfits kaufen könne. Die Crew von "Dynasty" zierte zwar 1985 das Cover des "New York Magazine", aber im Vergleich zu heute waren Seriengesichter in der Werbung noch eher selten zu finden.

Don Johnson prägte als Undercover-Polizist mit seinen T-Shirts unter pastelligen Blasern in "Miami Vice" das modische Bild einer ganzen Epoche. Aber er versuchte sich neben seiner Schauspielerkarriere lieber als Musiker denn als Model. "Wurden in den 1970er- bis 1990er-Jahren Stile und Moden vor allem 'vorgeführt', so werden heute die Darsteller und Darstellerinnen aus Serien zu Marken-Testimonials und bringen den fiktionalen Stil der Figur mit dem realen Stil der Person in Verbindung", so Braidt. "Paradebeispiel Emma Watson brachte ihr Hermine-Image (aus "Harry Potter") zunächst bei Burberry ein, bevor sie bei Lancôme für Parfums warb."

Seriendarstellerinnen sitzen in der Front-Row der Fashionshows, bringen Parfums und Handtaschen auf den Markt. Die 21-jährige Britin Sophie Turner ist seit 2011 als kühle, enorm leidensfähige Sansa Stark einer der Stars von "Game of Thrones". Sie hat 7,2 Millionen Abonnenten auf Instagram – und meinte selbst kürzlich, sie habe einer "viel besseren Schauspielerin" deshalb einen Job weggeschnappt. Nicolas Ghesquière, der kreative Kopf von Louis Vuitton, hat Turner für seine Herbst-Kampagne 2017 gebucht. Und das "Game of Thrones"-Power-Paar Emilia Clarke und Kit Harington hat gerade eine Dolce-&-Gabbana-Parfum-Kampagne an Land gezogen.

Die 21-jährige Britin Sophie Turner wirbt für Louis Vuitton.
Foto: Louis Vuitton

Ghesquière ist zudem Fan der 13-jährigen Millie Bobby Brown. Sie wurde über Nacht zum Star, als sie in der Netflix-Serie "Stranger Things" die mit Superkräften und einer Kurzhaarfrisur ausgestattete Eleven verkörperte. Brown erobert die Modewelt gerade im Sturm, für Raf Simons Neustart bei Calvin Klein war sie auf den Plakaten zu sehen, obwohl sie privat Mode nicht sonderlich interessiert. Eigentlich würde sie lieber leger in Trainingsanzügen rumlaufen, verriet das Mädchen den Zeitungen, aber ihre Mutter würde ihr das verbieten. Wohl oder übel postet sie jetzt Fotos von sich in traumhaften Roben.

Finanziell nötig haben es die Serienhelden allerdings nicht, in der Fashion-Branche auf roten Teppichen zu posieren. Die Stars von "Game of Thrones" konnten in der siebten und achten Staffel pro Folge jeweils stattliche 2,5 Millionen Euro einsacken. Das ist nicht nur neuer finanzieller Rekord, was Serien betrifft, davon kann man sich auch mehr Markenklamotten kaufen, als man im ganzen Leben braucht. (Karin Cerny, RONDO, 2.12.2017)

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