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Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Vestavia Hills in Alabama zeigten sich nicht nur Anhänger, sondern auch Gegner des umstrittenen Senatskandidaten Roy Moore.

Foto: Reuters/Gentry

Die Anschuldigungen gegen Roy Moore, der vor 40 Jahren Mädchen im Teenageralter sexuell belästigt haben soll, stürzt die Republikaner in ein tiefes Dilemma. Auch wenn die Parteispitzen unisono den Abgang des erzkonservativen Kandidaten für die Senatswahlen in Alabama am 12. Dezember von der politischen Bühne verlangen: Moore denkt gar nicht daran.

Der Mann sei offenkundig nicht geeignet, im Senat der Vereinigten Staaten zu sitzen, ging Mitch McConnell, die Nummer eins der Konservativen in der kleineren der beiden Parlamentskammern, resolut auf Distanz. Das Leitungsgremium der Grand Old Party entschied, die Kampagne des 70-Jährigen nicht mehr durch Spendenaufrufe zu unterstützen.

Jeff Flake, ein Senator, der neulich auf spektakuläre Weise mit Donald Trump brach, hält es sogar für angemessen, anstelle Moores dessen Widersacher Doug Jones, einen der verfeindeten Demokraten, zur Wahl in dem südlichen Bundesstaat zu empfehlen.

Schadensbegrenzung

Er folgt damit einer Logik der Schadensbegrenzung, die manche seiner Parteifreunde teilen: Lieber dieses eine Votum verlieren als durch eine Skandalfigur wie Moore derart belastet zu werden, dass man bei den Kongresswahlen im kommenden Herbst 2018 umso härter büßt.

Sollten die Demokraten in Alabama gewinnen, grenzte es nicht nur an ein politisches Wunder, die Republikaner würden im US-Senat mit seinen 100 Sitzen nur noch über eine hauchdünne Mehrheit verfügen. Statt der heutigen 52 kämen sie nur noch auf 51 Mandate. Es sind Aussichten, die Strategen wie McConnell fieberhaft über personelle Auswege nachdenken lassen.

Alternativer Kandidat

Ein Republikaner von Rang – so wäre eine Variante – soll seinen Hut in den Ring werfen, um Moore, der im September die parteiinternen Vorwahlen für sich entschieden hatte, im Finale noch abzufangen. Jeff Sessions, einst Senator Alabamas, heute Justizminister, ist einer der "Weißen Ritter", deren Namen in den Planspielen die Runde machen.

Moore wiederum lässt keinerlei Bereitschaft erkennen, sich dem Druck zu beugen und aufzugeben. Nicht nur, dass er sämtliche Vorwürfe bestreitet: Er sieht sich in der Rolle des tapferen Rebellen – ähnlich wie Trump, den die Elite vergebens auszubremsen versuchte und der dann umso glorreicher triumphierte. "Die guten Menschen von Alabama, nicht die Etablierten in Washington, die sich im Sumpf suhlen, werden entscheiden" , schrieb er zornig auf Twitter.

Unter dem Hashtag "DitchMitch" (gemeint ist Mitch McConnell) lässt Moore seinem Zorn freien Lauf.

Ein harter Kern seiner Anhänger scheint unbeirrt zu ihm zu stehen, und auch Steve Bannon, der geschasste Strategieberater des US-Präsidenten, hält ihm vorerst die Treue.

Es war Bannon, zurückgekehrt zur populistischen Onlineplattform Breitbart News, der die Trommel für Moore rührte, als der bei den Primaries den Favoriten Luther Strange besiegte. Als nun die ersten Missbrauchsvorwürfe die Runde machten, verglich er sie mit einem Video, das in der heißen Phase des Duells ums Oval Office für Aufsehen sorgte.

Erinnerungen an Trump

Das Band dokumentierte, wie Trump damit prahlte, Frauen ungestraft zwischen die Beine fassen zu können, weil man einem Star eben alles durchgehen lasse. Auch damals wollten prominente Republikaner ihren Kandidaten am liebsten in die Wüste schicken. Wie damals Donald Trump, orakelte Bannon, werde es auch Roy Moore dem Establishment zeigen. Falls sich allerdings herausstelle, dass er lüge, so schob er später hinterher, "werde ich ihn höchstpersönlich ins Grab legen".

Mittlerweile sind es fünf Frauen, die Moore vorwerfen, sie sexuell belästigt zu haben, als sie noch nicht volljährig waren und er mit Anfang 30 am Beginn einer Juristenkarriere stand, die ihn zum obersten Richter Alabamas aufsteigen ließ.

Einer 14-Jährigen namens Leigh Corfman soll er Alkohol eingeflößt und sie gezwungen haben, seinen Penis zu berühren. Zuletzt meldete sich Beverly Young Nelson zu Wort, seinerzeit 16 und Kellnerin, um zu schildern, wie Moore sie im Auto attackierte. Falls sie es jemandem erzähle, habe er sie hinterher gewarnt, würde ihr sowieso niemand glauben, denn er sei Staatsanwalt – und sie nur ein Kind. (Frank Herrmann aus Washington, 16.11.2017)