Es kommt einem letzten, leisen Aufbegehren gleich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen – bekanntlich kein Freund einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung – verbreitet in vertraulichen Runden, welche Stolpersteine er den Blauen in den Weg legen könnte. Zuletzt soll er Diplomaten darüber unterrichtet haben, er würde die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky als Minister verhindern. Fakt ist: Gelobt das Staatsoberhaupt gewisse Freiheitliche nicht an, ist das nicht mehr als ein trügerischer Trost für jene Minderheit im Land, die Türkis-Blau nicht will.

Denn was unterscheidet Vilimsky und Gudenus von anderen FPÖ-Granden? Das Hauptargument Van der Bellens gegen blaue Machthaber ist das Gebot einer proeuropäischen Haltung. Vilimsky zog im Jahr 2014 mit dem Spruch "Österreich denkt um. Zu viel EU ist dumm" in den Europa-Wahlkampf. Auf die FPÖ-Plakate wurde neben den Slogan das Konterfei von Heinz-Christian Strache gedruckt, der nicht einmal kandidierte. In Brüssel packeln die Freiheitlichen mit dezidierten EU-Gegnern wie dem französischen Front National und Italiens Rechtspopulisten von der Lega Nord.

Gudenus, auf dem Papier Vizebürgermeister von Wien, werden seine grauslichen Aussprüche ("Knüppel aus dem Sack" für "Asylbetrüger") und eine Nähe zum extremen Milieu vorgeworfen. Und selbstverständlich ist es die Aufgabe des Präsidenten, den Staat vor Amtsträgern mit radikalen Tendenzen zu schützen. Nun Gudenus herauszupicken ist aber Augenauswischerei: Annähernd die Hälfte der FPÖ-Abgeordneten sind Burschenschafter, unzählige Entscheidungsträger in den Parteigremien sowie auch viele der blauen Mitarbeiter sind deutschnational korporiert – und die Liste ungustiöser bis juristisch relevanter Sager von Freiheitlichen ist lang. Der FPÖ-Chef selbst spielte in seiner Jugend mit Rechtsextremen Paintball in Uniform. Van der Bellen wird ihn dennoch wohl bald als Vizekanzler angeloben.

Rechte in der Regierung

In die nächste Regierung werden Skeptiker bezüglich des menschengemachten Klimawandels, Anhänger kruder Verschwörungstheorien und mutmaßlich ein paar waschechte Rechte einziehen. Das wird sich nicht verhindern lassen. Viel mehr noch: Ein breiter Teil der Bevölkerung akzeptiert das – und selbstverständlich auch die ÖVP, die den Blauen den Weg in die Regierung bereitet. Denn wofür die FPÖ steht, ist ebenso wie die einschlägige Vergangenheit einiger Funktionäre seit Jahren und Jahrzehnten bekannt. "Ein alter Hut", wie Freiheitliche, mit solchen Vorwürfen konfrontiert, es selbst oft nennen.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben im Oktober mit großer Mehrheit entschieden, dass sie eine Vertretung wollen, die mit Flüchtlingen und Migranten rigoroser verfährt, die eine "Massenzuwanderung stoppt". Welche Akteure diesen Auftrag vollziehen, scheint vielen nicht so wichtig zu sein. Will Van der Bellen keine Staatskrise auslösen, wird er Straches Mannschaft wohl oder übel absegnen müssen, das weiß er.

Es würde dem Staatsoberhaupt deshalb besser anstehen, wenn er sich mehr auf Themen als auf Köpfe konzentrierte. Er könnte sich mutig dafür aussprechen, dass die künftige Regierung den Sozialstaat nicht aushöhlt, er sollte klare Bekenntnisse zur Europäischen Union verlangen, sich für Minderheiten einsetzen und laut sein, wenn er Zweifel am türkis-blauen Kurs hat – ganz egal, wer Minister wird. (Katharina Mittelstaedt, 16.11.2017)