Kommt man von Westen über den sanften Berggrat, für den die Geologie das erdig-klangvolle Wort Nagelfluhrücken bereithält, ist es nur ein helles, spitz überhöhtes Dreieck. Aus der Nähe besehen wird das Dreieck dreidimensional und taktil: Holzschindeln, eine Tür mit Metallbeschlag. Auch hinter der Tür dominiert das Holz: Bänke, Boden, steile Dachspanten. Ein weißer, trichterförmiger Ausguck auf den Waldrand, daneben eine Marienstatue. Die Lourdeskapelle in Krumbach im Bregenzerwald ist nicht nur ein Konzentrat der Ruhe, sondern auch ein Beispiel für die wichtigste Partnerschaft des Bauens: die zwischen Bauherr und Architekt.

Junge Paare, Großkonzerne, Ministerien, Mittelstandsbetriebe, Wohnbaugesellschaften, Vereine, oder auch die eigene Verwandtschaft. Sie alle sind potenzielle Bauherren und -herrinnen. In Krumbach sind es die Nachbarn, nämlich die Bewohner der Parzellen Au, Zwing und Salgenreute. Ihnen gehört gemeinschaftlich der Grund, auf dem seit über 150 Jahren eine Kapelle steht. Der Vorgängerbau war nicht mehr zu sanieren, also fragte man beim Architekten Bernardo Bader um einen Entwurf an. Budget: null Euro. Trotzdem sagte Bader zu, und das nicht nur, weil er selbst nur wenige Hundert Meter entfernt wohnt, sondern auch, weil ihm die Nachbarn vertrauten. Kein Honorar, aber dafür entwerferische Freiheit.

Nachbarschaftlicher Kraftakt mit architektonischer Kraft: Kapelle in Krumbach von Bernardo Bader.
Foto: Adolf Bereute

Beim Bau halfen Handwerker aus der Gegend, der Bürgermeister vermittelte einen günstigen Kredit. Nachbar- und Partnerschaft haben den Prozess gut überstanden. "Wir reden heute noch miteinander", lacht Bernardo Bader. Er darf sich freuen, denn eine Kirche, und sei sie nur 40 Quadratmeter groß, baut man nicht alle Tage. "Als Architekt braucht man Projekte, bei denen man nicht nur über das Funktionale redet. Bauen heißt auch, selbst denken zu können und nicht immer alles angesagt zu bekommen." Eine solche Freiheit braucht bauherrliches Vertrauen, und dieses Vertrauen wurde jetzt mit dem Bauherrenpreis belohnt.

Seit nunmehr 50 Jahren honoriert dieser Preis mutige Auftraggeber-Architekten-Gespanne, in einem aufwendigen Juryverfahren werden alle Bauherren persönlich angehört. "Vielen ist ihre besondere Leistung gar nicht bewusst", sagt Martha Schreieck von Henke Schreieck Architekten, seit 2009 Präsidentin der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs, die den Bauherrenpreis seit 1967 vergibt. "Es geht darum, den Bauherren eine gesellschaftliche Verantwortung abzuverlangen, die über die reine Funktion eines Gebäudes hinausgeht."

Sanfte Sanierung: evangelische Kirche Mitterbach von Beneder Fischer.
Foto: Konrad Neubauer

Überraschend an der diesjährigen Juryauswahl: Von den sechs Preisträgern, die aus 82 Einreichungen ausgewählt wurden, sind gleich drei Sakralbauten. Die Kapelle in Krumbach ist darunter der einzige Neubau. Dazu gesellen sich die feinfühlige Sanierung der ältesten evangelischen Kirche Niederösterreichs in Mitterbach durch Ernst Beneder und Anja Fischer und die ebenso sorgfältigen Um- und Einbauten in der Basilika und im Geistlichen Haus des Wallfahrtsortes Mariazell durch das Grazer Büro Feyferlik Fritzer.

Sakrale Ruhe: Geistliches Haus in Mariazell von Feyferlik Fritzer.
Foto: Paul Ott

Das Besondere dort: Architekten und kirchliche Bauherren arbeiten schon seit 25 Jahren zusammen. "Dass es ein langer Weg wird, war uns von Anfang an bewusst", so Wolfgang Feyferlik. "Wir haben uns daher besonders bemüht, alles zu Modische zu vermeiden." Nicht zuletzt waren die 25 Jahre Arbeit praktisch deckungsgleich mit der Wirkungsphase des zuständigen Paters Karl Schauer, bei dem alle Fäden zusammenliefen. "Wenn Bauherr und Nutzer eine Person sind, macht das vieles einfacher", so Feyferlik. Selbst wenn jener immer wieder betont habe, er sei ja nur Gast im eigenen Haus. Ein Pater kann und muss schließlich selbst auf einen großen Bauherrn hinter und über sich verweisen. Ein solch langer Atem wirkt geradezu luxuriös in Zeiten, in denen Bauzeitenpläne und Normen das Bauen diktieren und Armeen von Anwälten wie Geier auf jeden Fehler warten.

Gut gestemmt: die neue Sägerbrücke in Dornbirn von Dworzak-Grabher.
Foto: Günter König

Doch auch die nicht-klerikalen Preisträger zeugen von der Wichtigkeit des Dialogs auf Augenhöhe: die fast vor Spannung knirschende, zwischen die Ufer der rauschenden Dornbirner Ache geklemmte Sägerbrücke in Dornbirn von der Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher und der Cateringpavillon Wolke 7 in Grafenegg von The Next Enterprise Architects, der sein dünnes Betondach ganz leicht und unbeschwert fliegen lässt.

Fliegender Beton: Pavillon in Grafenegg von The Next Enterprise.
Foto: Lukas Schaller

Demgegenüber wirkt der sechste Preisträger, der Erste Campus beim Hauptbahnhof in Wien, mit seinen 90.000 Quadratmetern Nutzfläche wie ein Mammutprojekt. Doch auch in großen Dimensionen gibt das Engagement des Bauherrn den Ausschlag für die Qualität des Gebauten. Dies beginnt schon bei der Ausschreibung: Dem Wettbewerb war ein 170-seitiges Kompendium beigelegt, in dem die Erste Bank eine Beschreibung des eigenen Selbstverständnisses lieferte. Man kann dies als Auswuchs einer Corporate-Identity-Selbstbezogenheit sehen, doch bezeugt ein solches Vorgehen auch einen Vertrauensvorschuss an die Architekten, eine solche Vorgabe umzusetzen.

Städtisch gedacht: der Erste Campus in Wien von Henke Schreieck.
Foto: Werner Huthmacher

Was nicht bedeutet, dass danach nur eitle Harmonie ohne offene Fragen herrscht. "Um Entwurfsaspekte wie das öffentliche Erdgeschoß haben wir lange gerungen", erklärt Martha Schreieck, dieses Jahr in Bauherrenpreis-Doppelfunktion als Präsidentin und Preisträgerin. "Aber es war eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Architekten werden heute oft als reine Dienstleister angesehen. Schwierig ist es auch, wenn man beim Bauherren gar keinen konkreten Ansprechpartner hat und alles in einem Wust aus Facility-Managern untergeht. Deswegen ist der Bauherrenpreis auch nach 50 Jahren noch wichtig." (Maik Novotny, 18.11.2017)