"Es spießt sich nichts!", erklärten ÖVP-Obmann Kurz und FPÖ-Chef Strache, lächelten einander zu – und verkündeten erste Verschärfungen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Fast eine Stunde lang ließen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Freitagnachmittag im Atrium des Palais Epstein auf sich warten, ehe sie ihren Zwischenstand bei den Koalitionsverhandlungen bekanntgaben. Eines gleich vorweg: "Es spießt sich nichts!", versicherten einander zulächelnd und zunickend die türkis-blauen Spitzen – und die Fachgruppe "Sicherheit, Ordnung & Heimatschutz" sei schon fast vor einem Abschluss.

Mit der Österreich- und der Europa-Fahne im Rücken referierten Kurz und Strache einander paritätisch abwechselnd, welche Reformen auf das Land zukommen – beim Asyl und bei der Mindestsicherung sowie bei der Polizei und beim Kampf gegen den Terror.

Asyl: Auf massive Verschärfungen für Asylwerber haben sich ÖVP und FPÖ bereits geeinigt. Strache stellte für Menschen in der Grundversorgung fast nur noch Sachleistungen in Aussicht, individuelle Unterbringung für sie soll es nicht mehr geben. Parallel dazu sollen die Abschiebungen für Asylwerber mit negativem Bescheid forciert werden.

Anerkannte Flüchtlinge wiederum sollen künftig die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr nach sechs Jahren, sondern erst nach zehn Jahren beantragen dürfen. Erklärtes Ziel von Strache ist es außerdem, dass es keine illegale Migration gibt – "sprich: null", erklärte er. Die von Rot-Schwarz definierten Obergrenzen für Asylanträge sind quasi Geschichte, erklärte auch Kurz auf Nachfrage, die Zahl der Flüchtlinge müsse zurückgehen, weil man auf Hilfe vor Ort setze.

Bei der Arbeitsmigration wiederum wollen die Regierungsverhandler ebenfalls Verschärfungen, etwa indem die Mangelberufsliste überarbeitet wird.

Mindestsicherung: Restriktionen sind auch bei der Mindestsicherung geplant. Für bedürftige Familien soll bundesweit die Sozialleistung einheitlich gedeckelt werden – auf welchen Betrag, wurde nicht konkretisiert. Fest steht, dass es für Asylberechtigte bloß eine "Mindestsicherung light" geben soll, mit mehr Sachleistungen, weniger Geld. Als Vorbild führten Kurz und Strache die Regelungen in Ober- und Niederösterreich an, dort erhalten auch Mehrkindfamilien maximal 1512 bzw. 1500 Euro monatlich.

Mit den anderen Bundesländern wollen Türkis und Blau dazu "in Kontakt" treten, erklärte Kurz – wenn es zu keiner Einigung komme, überlege man eben ein "Grundsatzgesetz". Damit würde der Bund den Ländern einen Rahmen vorschreiben – und die Länder müssten Umsetzungsgesetze erlassen. Hintergrund: Bisher stemmte sich das rot-grün regierte Wien stets gegen eine Deckelung bei der Mindestsicherung.

Polizei: Bei der Polizei soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden, geplant ist auch eine Reform des Besoldungssystems, denn: 60-jährige Polizisten, die nicht mehr für den Außendienst geeignet seien, gingen allzu oft in Pension – vor allem weil ihnen beim Innendienst hohe Zulagen entfallen, erklärte Strache. Ebenfalls auf der Agenda: ein neuer Lehrberuf, der für mehr Verwaltungs- und Exekutivnachwuchs sorgen soll. Wie viele neue Stellen es bei der Polizei geben soll – zuletzt waren 2000 bis 3000 im Gespräch –, steht noch nicht fest.

Kampf gegen Terror: Um Gefährder früher dingfest machen zu können, wollen Kurz, Strache und Co nun ein Sicherheitspaket schnüren – was Rot und Schwarz nicht mehr zusammengebracht haben. Als Vorhaben genannt wurden Videoüberwachung, Kennzeichenerkennungssysteme sowie die Möglichkeit, Messenger-Dienste wie Whatsapp-Nachrichten besser überwachen zu können. Bis dato hat allerdings auch die FPÖ einen Bundestrojaner, wie von der ÖVP begehrt, abgelehnt. Hier habe man noch immer Bedenken, sagte Strache, und es brauche einen Kompromiss. Kurz meinte, es gehe nur noch um die Lösung technischer Details.

Außerdem auf der türkis-blauen Liste: ein "nationales Cyber- und Sicherheitszentrum", in dem die Zuständigkeiten von Innen-, Verteidigungs- und Außenministerium gebündelt werden sollen, wie der ÖVP-Obmann erklärte.

Nach ihrem Auftritt stand für Kurz und Strache dann eine Audienz beim Bundespräsidenten an – inklusive klärenden Gesprächs. Denn Alexander Van der Bellen soll kürzlich im Kreis von Diplomaten angekündigt haben, dass er die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky nicht als Minister angeloben würde.

Aussprache und Außenamt

FPÖ-Chef Strache bezeichnete die Äußerungen – "wenn sie so gefallen sind" – vor dem Treffen als "schlechten Stil". Aus blauen Kreisen hieß es allerdings, dass ohnehin keiner der beiden Freiheitlichen auf einer der blauen "Ministerlisten" stehe. Was die wohl Demnächst-Koalitionäre am Vorgehen von Van der Bellen auch wurmt: dass er am Vortag erklärt habe, ihm fehle bei den Verhandlungen noch das "Neue".

Eine Freiwillige für das Außenamt meldete sich aber schon: Die Publizistin und Nahostexpertin Karin Kneissl will Ministerin werden. Der "Presse" sagte sie, Strache habe eine Woche nach der Wahl gefragt. Ihre Antwort lautete: "Ja, ich möchte dieses Angebot als Unabhängige annehmen." (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, Günther Oswald, 18.11.2017)