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Flüchtlinge auf einem Pick-up auf dem Weg von Agadez Richtung Libyen.

Foto: REUTERS/Joe Penney

Jeden Montag starteten die Konvois mit 50 bis 100 Fahrzeugen Richtung Wüste. Auf jedem saßen 25 bis 30 Menschen, die ein weiteres Stück ihrer Flucht Richtung Europa auf sich nahmen. Von Agadez, dem Tor zur Sahara im Niger, bis nach Sabha in Libyen sind es rund 1.600 Kilometer, umgerechnet vier bis fünf Tage Fahrt durch die Wüste, wo bewaffnete Milizen und Menschenhändler um das Vorrecht auf den Routen kämpfen.

4.100 bis 5.000 Euro nahmen die Schmuggler pro Fahrzeug ein, geht aus dem Bericht zum "Globalen Menschenschmuggel 2017" des australischen Thinktanks Aspi hervor, der Ende Oktober veröffentlicht wurde. 40 Prozent davon streifte der Schmuggler selbst ein, der Rest ging für den Transport und die Bestechung lokaler Polizisten und Soldaten drauf. Pro Konvoi und Woche machte der Schmuggler so einen Profit von 50.000 Euro. Und selbst die Fahrer, die noch immer fast 600 Euro pro Fahrt verdienten, machten mit den Migranten ein gutes Geschäft.

Vor allem in einem Land wie dem Niger, das im UN-Entwicklungsranking auf dem vorletzten von 188 Plätzen steht und in dem 46 Prozent der Bevölkerung von weniger als 1,70 Euro am Tag leben, ist der Menschenschmuggel ein wichtiger Wirtschaftszweig. Doch seit 2016 geht die nigrische Regierung auf Druck internationaler Partner gegen die Menschenschmuggler vor. Der Wirtschaftszweig soll absterben.

Migration durch den Niger zurückgegangen

Mit finanzieller Unterstützung der lokalen Behörden und eigenen Programmen will die EU die illegale Migration durch den Niger stoppen. Und sie verkündet erste Erfolge: Waren es im Vorjahr noch 300.000 Menschen, die durch den Niger migrierten, sank die Zahl ab Mitte des Jahres merklich. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat warnt allerdings vor voreiligen Erfolgsmeldungen: Es könnten sich auch nur die Routen in noch gefährlichere Gebiete abseits jeder Überwachung verlagert haben.

Doch da die gesamte Region um Agadez von den Migranten und Flüchtlingen finanziell abhängig war, braucht es Alternativen. In Kooperation mit der nigrischen Regierung wurde ein Berufsprogramm auf die Beine gestellt. Dieses soll Personen, die am Menschenschmuggel beteiligt, aber nicht dessen führende Köpfe sind, dazu bewegen, ihr Geld legal zu verdienen. "Aktuell ist das Arbeitsprogramm noch in der Pilotphase. Die Ergebnisse werden dann evaluiert", sagt eine EU-Pressesprecherin im Gespräch mit dem STANDARD. Laut EU-Quellen befinden sich im Moment rund 250 Personen in dem Programm.

"Der Schmuggel hat Brot auf den Tisch gebracht"

Das UNHCR interviewte für einen Bericht den ehemaligen Schmuggler Bashir, der in Agadez gemeinsam mit Kollegen hunderten Menschen geholfen hat, ihre Ansuchen für EU-Gelder einzureichen. Bis zu 2.300 Euro können Einzelpersonen für Geschäftsgründungen oder Berufsausbildung erhalten – 6.100 Euro, wenn sie sich als Gruppe darum bewerben. "Wir haben ein bisschen Hoffnung, da die Regierung des Niger mit uns das Programm besprochen hat", sagt Bashir. Gleichzeitig wünscht er sich nachhaltigere Unterstützung nach dem rigiden Vorgehen der Behörden gegen Schmuggler: "Wir haben unsere Arbeit verloren. Wir haben unser Leben verloren. Der Schmuggel hat Brot auf den Tisch gebracht."

Es sei schwierig, die Leute in ein Programm zu locken, wenn der illegale Handel so viel lukrativer ist, heißt es aus EU-Quellen. "Trotzdem sehen viele Menschen ein, dass die Illegalität keine Zukunft hat", heißt es dort. Das Vorgehen gegen die Menschenhändler hat zudem auch strafrechtliche Erfolge gezeigt. Mehr als 100 Schmuggler wurden bereits verhaftet. "Die Gesetze, die der Niger in Sachen Schmuggeleibekämpfung erlassen hat, sind mitunter die modernsten in Afrika", sagt eine Quelle in der EU.

Transitzentren im Niger

"Insgesamt wurden 100 Millionen Euro bereitgestellt, um in Kooperation mit den Agenturen der Vereinten Nationen Migranten entlang der Routen zu helfen", sagt eine EU-Sprecherin. "Unter anderem wurden dadurch fünf Transitzentren im Niger eröffnet." Dort werden den Migranten auch Möglichkeiten vorgestellt, wie sie zurück in ihre Heimatländer gelangen können, um die Reise durch die Wüste nicht antreten zu müssen. Es wird geschätzt, dass in der Wüste dreimal so viele Menschen wie im Mittelmeer sterben. (Bianca Blei, 21.11.2017)