Stellvertretend für eine ganze Flut an Allrad-E-Autos, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen: Jaguar I-Pace, made in Graz.

Foto: Jaguar Land Rover

Das Achsmodul "eTwinsterX" von GKN vereint auf kleinem Raum einen Elektromotor mit einem zweistufigen Getriebe und Kupplungen, die hohe Effizienz und hohe Flexibilität in der Antriebssteuerung ermöglichen.

Foto: GKN

Ein Elektroauto brauche kein Getriebe, heißt es immer, und es ist auch hartnäckig die Rede davon, dass ganze Industriezweige durch die technische Einfachheit von Elektroautos in ihrer Vitalität betroffen wären, allen voran die Getriebehersteller. Das heißt aber nicht, dass die Getriebehersteller vom Aussterben bedroht sind. Denn ein Elektroauto benötigt, wenn auch kein Schaltgetriebe oder Automatikgetriebe, durchaus eine ganze Menge Zahnräder und auch Kupplungen zur Kraftverteilung. So gibt es auf diesem Gebiet völlig neue Herausforderungen.

Neue Lösungen

Das wissen die zuständigen Zulieferunternehmen längst und arbeiten mit bewährtem Know-how und enormer Kreativität an neuen Lösungen im Antriebsstrang, der ja nicht unbedingt mehr ein klassischer Strang sein muss. Allradantrieb spielt in dieser Hinsicht sogar eine Schlüsselrolle. Der Getriebespezialist ZF, Bosch, Magna Powertrain und GKN Driveline sind wichtige Player im Geschäft. So bekommt etwa der Jaguar I-Pace, der bei Magna in Graz produziert werden wird, an jeder Achse einen Elektromotor, dessen Drehmoment über ein Verteilgetriebe elektronisch gesteuert und nahezu vollkommen anforderungsgerecht auf die beiden Räder aufgeteilt wird. Das kann man dann auch echtes Torque-Vectoring nennen, denn jedem Rad kann exakt so viel Kraft zugemessen werden, wie es für optimalen Vortrieb notwendig ist. Diese Kraftverteilung ist nicht von den Einschränkungen eines herkömmlichen mechanischen Differenzials betroffen.

Allradler

Der britische Antriebsspezialist GKN lässt uns sogar in seinen elektrischen Achsantrieb hineinschauen (siehe Bild). Hier erklärt sich die Innovation fast von selbst. GKN hat schon eine ganze Menge Erfahrung gesammelt im Bereich der Plug-in-Hybride. Konkrete Beispiele sind die Plug-in-Hybride der 2er-Reihe von BMW, wo GKN die elektrische Hinterachse liefert und damit aus dem Fronttriebler einen Allradler macht. Das Gleiche gilt auch für den Volvo XC90. Andersrum funktioniert es beim BMW i8: Benzinmotor hinten und Elektromotor vorn. Oder beim Porsche 918: hinten V8-Benzinmotor und Elektromotor, vorn zusätzlich noch ein Elektromotor.

Diese universell einsetzbare Antriebseinheit besteht aus einem zweistufigen Getriebe mit nassen Lamellenkupplungen, die zwei Funktionen in einer Einheit ermöglichen, nämlich das automatische Wechseln zwischen den beiden Gängen und die hochflexible Verteilung der Antriebskräfte auf zwei Räder. So entfällt ein herkömmliches Differenzial.

Größe und Gewicht

Wenn auch ein Elektromotor im Regelfall in der Lage ist, den gesamten Drehzahlbereich ohne Gangwechsel abzudecken, so steht man doch aus unterschiedlichsten Motiven (Platz, Einbausituation, Gewicht, Preis) vor der Herausforderung, den Motor immer kleiner zu machen. Da Drehmoment mal Drehzahl die Leistung ergibt, ist ein Motor bei gleicher Spitzenleistung umso kleiner, je höher er dreht.

Nun ist auch ein Elektromotor in seiner Höchstdrehzahl begrenzt. Das heißt, ein Fahrzeug mit kleinem, leistungsstarkem E-Motor ist auch in seiner erreichbaren Geschwindigkeit eingeschränkt. Diese Limitierung fällt durch einen zweiten Gang weg. Außerdem ist auch beim E-Motor der Wirkungsgrad nur in einem eingeschränkten Drehzahlbereich am größten. Der zweite Gang macht also nicht nur höhere Geschwindigkeiten möglich (was ja nicht unbedingt das Ziel ökologischen Verkehrs ist), sondern auch weniger Stromverbrauch: Laut GKN erreicht man eine um zehn Prozent bessere Systemeffizienz des Elektroantriebs. (Rudolf Skarics, 27.11.2017)